Die Utopie ist ein Ort der Gewissheit: Was hier angedacht, braucht per Definition nicht mit einer Umsetzung rechnen, denn die Utopien wachsen fern der Realität. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb lohnt es sich, über Utopien nachzudenken.

Bernhard  Pörksen. Die große Gereiztheit. Hanser-Verlag, 256 Seiten, 22,70 Euro.
Bernhard Pörksen. Die große Gereiztheit. Hanser-Verlag, 256 Seiten, 22,70 Euro. © Hanser

In seinem viel diskutierten Buch „Die große Gereiztheit“ schildert der in Tübingen lehrende Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen eine Welt, die sich in einer rauschhaften Überspannung befindet und in der Bürger in ein Information-Dauerfeuer geraten: „Banales, Berührendes, Bestialisches - alles wird sofort sichtbar“, erklärt Pörksen. In seinem Buch analysiert er die titelgebende Gereiztheit in fünf Krisendiagnosen und ortet den Übergang von der „Mediendemokratie zu einer Empörungsdemokratie“, in der jeder zum potenziellen Sender und Empfänger wird.

Pörksens von ihm als „konkrete Utopie“ bezeichneter Lösungsvorschlag: die redaktionelle Gesellschaft, ein „Bildungsziel für die digitale Moderne“. Das Prinzip: Bürger agieren nach journalistischen Prinzipien, ausgebildet durch ein eigenes Schulfach. Eine neue „Mündigkeit“ als Absicherung der Demokratie und Gegenkonzept zu Manipulation und Falschnachrichten. Eine unerreichbare Utopie? Als Ziel langt es allemal. Und Pörksen gibt sich als Realist: „Wir stehen ganz am Anfang, stecken nach wie vor in einer Phase der mentalen Pubertät im Umgang mit den neuen Medienmöglichkeiten.“