Wenn heute ab zehn Uhr das oberste Aufsichtsgremium des ORF zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt und einige neue Gesichter auf dem Wiener Küniglberg zu sehen sind, darf davon ausgegangen werden, dass FPÖ-Freundeskreisleiter Steger Norbert Steger die nötige Mehrheit bei der Vorsitzwahl lukrieren kann. Man kann es ein „abgekartetes Spiel“ nennen und sich laut darüber wundern. Sollte es heute doch nicht um Politik, sondern um die beste Führung des teils neu besetzten Aufsichtsgremiums gehen. In diese Richtung wettert auch Ex-ORF-Chefredakteur Werner Mück im Wochenmagazin „profil“: Die Konstruktion der ORF-Aufsicht sei bereits jetzt vom „Missbrauch politischer Macht“ geprägt.

Die neue Regierung hat Steger als Vorsitzenden paktiert. Er würde damit Dietmar Hoscher nachfolgen, der dem SPÖ-Freundeskreis angehörte. Nun hat eben die türkis-blaue Regierung eine Mehrheit im Stiftungsrat. Wenn sich auch eine verlässliche Zweidrittelmehrheit der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ nicht ausgeht: Die ÖVP kommt auf 15 Mitglieder, die FPÖ auf 8 – macht also 23 von 35 Mitgliedern. Für die Kür von Steger sind freilich nur 18 Stimmen notwendig.
Hätte ein Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens ähnliche Worte über den Konzern wie Norbert Steger über den ORF verloren (etwa zu den den ORF-Korrespondenten), hätte er wohl sofort seinen Platz räumen müssen. In Österreich ticken die Uhren aber anders.

Sechs Landesvertreter – nämlich von Wien, dem Burgenland, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Kärnten – wollen das nicht wahrhaben und haben Steger postalisch eine Reihe von Fragen übermittelt, deren Antworten er ihnen schuldig blieb. Im Rahmen des heutigen Plenum wird er zu den Punkten jedoch protokolliert Stellung nehmen, wie man aus gut informierten Kreisen hört. Die sechs Bundesländer-Vertreter wollen u. a. Stegers „generelle Haltung zu Funktion und Struktur des ORF“ erkunden. Sie fragen nach seinem Amtsverständnis als Vorsitzender und nach seinen Vorstellungen für die „strategische Ausrichtung des ORF“, auch hinsichtlich der Finanzierung. Bisher war es ja gute Tradition, dass sich die Vorsitzenden medial zurückgehalten und wenn, nur sachlich und neutral im Sinne des ORF öffentlich geäußert haben.

Neue Führungskräfte: Informell wird ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz dem Stiftungsrat wohl die Besetzung der neu geschaffenen Posten vorstellen. Bei den Senderchef („Channel Manager“) wird er dem Vernehmen nach Lisa Totzauer (derzeit Infochefin im Einserkanal) für ORF eins und Alexander Hofer („Seitenblicke“-Chef) für ORF 2 präsentieren. Für ORF 2 könnte in letzter Minute allerdings noch Stefan Ströbitzer (früher Chefredakteur Radio, derzeit TV-Entwicklungschef und Vertreter von Programmdirektorin Kathrin Zechner) das Rennen machen. Bei der Neubesetzung der Chefredaktion von ORF 2 setzt die FPÖ auf Matthias Schrom.

Die neue Struktur, zu der auch eigene Programmplaner gehören, soll das Profil der beiden Hauptsender schärfen und stärken. Was jetzt schon jede Menge „Dissens“ in sich birgt. Gewitter stehen also bevor.