Im Grazer Kunsthaus wird heute Vormittag Bilanz gezogen: Am Sonntag geht die Steiermark-Schau zu Ende. Die Ausstellung, die an drei Grazer Standorten des Universalmuseums Joanneum und in einem Wanderpavillon in vier Bezirksstädten stattfand, stellte den ehrgeizigen Versuch dar, für das überholte Format der alten Landesausstellungen ein populäres Gefäß für das 21. Jahrhundert zu finden. Anzunehmen, dass die mit neun Millionen Euro budgetierte Schau heute zum Erfolg erklärt wird.

Dabei wurden von Anfang April bis Ende September einer internen Statistik zufolge an allen vier Standorten insgesamt rund 75.000 Besuche verzeichnet. Den Löwenanteil von rund 32.000 Besuchen holte sich dabei das Kunsthaus mit einer materialsatten Ausstellung zu den „Zukünften“ des Landes. Zum Vergleich: 2019, im Jahr vor Corona, hatte man noch gut 78.000 Eintritte verbucht. Insgesamt stiegen die Besuchszahlen des zum Joanneum (UMJ) gehörigen Hauses von 2013 bis 2019. Dass die Zuwächse „überwiegend auf den Anstieg von freien Eintritten zurückzuführen sind“, merkte aber erst unlängst der steirische Landesrechnungshof in einem Kunsthaus-Prüfbericht kritisch an.

Reklamiert wurde etwa, dass seit 2009 die Zahl der freien Eintritte „von rund einem Drittel der Besucher auf nahezu die Hälfte der ausgegebenen Karten“ gestiegen ist. Der Eigendeckungsgrad des 2003 eröffneten Kunsthauses betrug derweil im Prüfzeitraum 2017 bis 2019 bescheidene 10,6 bis 13,4 Prozent. Wohl mit ein Grund, dass der Landesrechnungshof dringend empfiehlt, „die Ausgabe von Freikarten innerhalb des Kunsthauses zu reduzieren“. Zugleich, sagt Wolfgang Muchitsch, wissenschaftlicher Geschäftsführer des UMJ, „ist es natürlich unsere Philosophie, dem Publikum breiten, niederschwelligen Zugang zu Kunst und Kultur zu schaffen.“ Das sei mit ein Grund für Gratis-Tage, die gemeinsam mit zahlungskräftigen Sponsoren durchgeführt würden: "Natürlich wird das dann als Sponsorenerlös verbucht, und nicht als Eintrittserlös."

Frage der Strahlkraft

Der neuen Kunsthaus-Leitung steht jedenfalls eine diffizile Aufgabe bevor. Der Posten ist derzeit ausgeschrieben, eine der darin formulierten Grundanforderungen ist es, das Haus „durch Ausstellungen von besonderer Strahlkraft im lokalen und internationalen Kunstkontext zu positionieren und die Attraktivität der Institution für Besucher*innen weiter zu steigern“. Bis 31. Dezember läuft die Bewerbungsfrist für den als Richtwert mit einem Jahresbrutto von 90.000 Euro dotierten Job, der von der Museumsabteilungsleitung zur Alleingeschäftsführung aufgewertet worden ist – nebst den künstlerischen Agenden obliegt dem künftigen Oberhaupt des „Friendly Alien“ dann also auch die wirtschaftliche Verantwortungfür das Haus.

Bis Jahresende amtiert als offizielle Kunsthaus-Chefin noch die 2016 geholte Barbara Steiner, die allerdings mit September ihren neuen Job als Leiterin der Stiftung Bauhaus im sächsischen Dessau angetreten hat. Interimistisch leitet das Kunsthaus derzeit die langjährige Chefkuratorin Katrin Bucher Trantow, der auch gute Chancen auf den Posten nachgesagt werden, falls sie sich bewirbt. Eine wahrhaft offene Ausschreibung, versichert UMJ-Geschäftsführer Wolfgang Muchitsch, sei aber nicht zuletzt durch eine hochkarätige Jury gewährleistet: Stella Rollig, Generaldirektorin des Wiener Belvedere, Nina Zimmer, Leiterin des Kunstmuseums Bern, und Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig in Köln, werden aus den Bewerbungen bis Ende Februar 2022 einen Dreiervorschlag erstellen.

Letzte unbekannte Größe im Besetzungsspiel ist dann die Kulturpolitik: Üblicherweise folgen die politischen Vertreter von Land und Stadt, die als Hälfteeigentümer am Kunsthaus fungieren, den Reihungsvorschlägen der Jury. Wie die künftige Grazer Stadtregierung das Thema sieht, ist vorerst ungewiss. Fix ist dafür, dass das neue Oberhaupt des Hauses am 1. Jänner 2023 seinen Dienst antritt.