Ob man will oder nicht, wenn man Elfie Semotan gegenübersteht, beißt sich in der Sekunde der Selbstzweifel wie ein lästiger Hund an einem fest. Kein Wunder, ist sie doch eine Fotografin von Weltrang, die nicht nur halb Hollywood abgelichtet hat, sondern auch die internationale Modefotografie seit Jahrzehnten beeinflusst. Da drückt man automatisch den Rücken durch und nimmt Haltung an. Wobei das Thema Haltung auch gleich der Ausweg aus dem Dilemma ist, denn „Haltung und Pose“ ist nicht nur der Titel der Ausstellung, sondern auch einer ihrer wichtigsten Zugänge: Elfie Semotan lichtet nicht ab, sondern modelliert mit ihrer Kamera: „Es geht darum, eine Persönlichkeit herauszuarbeiten“, beschreibt die Fotografin die Essenz ihres fotografischen Blicks.



Die 79-Jährige lässt sich von offensichtlicher, plakativer Schönheit nicht hinters Licht führen. Sie schaut dahinter, als wäre ihre Kamera vielmehr ein Röntgengerät, mit dem sie ihr Gegenüber durchleuchtet. Jedoch nicht auf brutale, alles ans Licht zerrende Art, sondern sanft und nuanciert. Das sieht man in hohem Maß bei jenen der rund 150 Bilder der großen Semotan-Retrospektive im Wiener Kunsthaus, die Prominente zeigen. Wo man als BetrachterIn längst mit einem vorgefertigten Bild der Porträtierten im Kopf vorstellig wird. Doch konstruierte Bilder will Semotan nicht auch noch bestätigen: „Man darf sich nicht vornehmen, das beste Bild von einem Menschen zu machen.“ Und so schafft es die Fotografin, diesen Abbildern immer noch eine weitere Facette hinzuzufügen, Menschen neu und anders zu sehen. Wie etwa in den eindringlichen Bildern von Louise Bourgeois, Elfriede Jelinek oder Ornella Muti. Vielfach ist es auch die intensive Beschäftigung mit der jeweiligen Persönlichkeit, die sich in der Inszenierung widerspiegelt. Wie etwa im Porträt von Maria Lassnig. Seitlich am Boden liegend, aufs Höchste angespannt, in einem beigen Kleid von Helmut Lang: „Ich wollte sie gerne so fotografieren, wie sie sich selbst malt.“

Starfotografin Elfie Semotan
Starfotografin Elfie Semotan © APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)

Assoziativ sei die Schau gestaltet, so die Ausstellungsmacherinnen Bettina Leidl und Verena Kaspar. Eine Verschmelzung unterschiedlichster Motivfelder und Herangehensweisen Semotans an die Fotografie: Landschaften, Porträts bis hin zu expressiver Modefotografie, in deren Nachbarschaft ein Pigmentdruck aus dem Atelier von Bruno Gironcoli hängt: ein beinahe abstrahiertes Stillleben. Unweit davon ein Renaissance-Setting: ein Kleid wie aus der Zeit gefallen, Andeutung einer Mariendarstellung, von einem opulenten Vorhang umspielt.
Semotan bedient sich gern „am Archiv der Kunstgeschichte“, nicht jedoch ohne subtil gesetzten Humor: Die beiden Möpse dürfen als himmlische Stellvertreter auf Erden gewertet werden. Engelsgleich? Mitnichten! Nicht selten sind ihre Bilder auch Hommagen an berühmte FotografInnen oder KünstlerInnen generell – Diane Arbus, Lucian Freud, Roy Lichtenstein: Die Fotografin nimmt auf und lässt das Vorbild völlig neu interpretiert in ihren Fotografien durchscheinen.

Elfie Semotan, Maria Lassnig, Wien, 2000/2013
Elfie Semotan, Maria Lassnig, Wien, 2000/2013 © Elfie Semotan/Studio Semotan

Nicht fehlen darf in der Ausstellung natürlich das ikonenhafte Bild von Helmut Lang, einst gefeierter Designerstar des Minimalismus, heute Künstler, hat ihn Semotan von Beginn seiner Karriere an fotografisch begleitet. Diese Coolness, die hier durchschimmert, macht Semotan in den letzten Jahrzehnten zu einer der gefragtesten Modefotografinnen. Im aalglatten Business leistet sie nicht nur subtil Widerstand. Eine Modestrecke rund um das kleine Schwarze? „Ich fand, das ist langweilig und abgedroschen.“ Eine klassische Inszenierung eines Klassikers? „Das ist zu uniform, das haben alle gemacht.“

Elfie Semotan, o.T. (Floor Dance), New York, 1998/2015
Elfie Semotan, o.T. (Floor Dance), New York, 1998/2015 © Elfie Semotan/Studio Semotan

Das Ergebnis ihres Shootings ist mehr Tanz-Performance denn Modefotografie. Nicht selten wundert sich die gebürtige Oberösterreicherin selbst darüber, welche ihrer ausgefallenen Ideen sie tatsächlich bei ihren Auftraggebern umsetzen konnte. Was in der Ausstellung ebenso sichtbar wird, ist ihre tiefe Verbundenheit zur Natur: Beinahe poetisch wirken ihre Landschaften der texanischen Künstler-Enklave Marfa. Reduziert, durchzogen von den Spuren, die der Mensch in unterschiedlichster Form hinterlassen hat. Eine fragile Terra incognita.

Elfie Semotan, o.T., Marfa, Texas, 2016/2020
Elfie Semotan, o.T., Marfa, Texas, 2016/2020 © Elfie Semotan/Studio Semotan