Seit einer Woche dürfen Museen wieder offen haben. Wie läuft das Comeback?
Wir freuen uns sehr, dass wir öffnen dürfen. Durch die Rahmenbedingungen, vor allem durch das Nicht-Reintesten, ist auch ein spontaner Museumsbesuch möglich. Wenn ich durch unser Haus gehe, werde ich von Menschen angesprochen, die sich freuen, dass sie wieder da sein können. Die Museen sind öffentliche Häuser und sie sollen auch offen sein. Trotz aller digitalen Angebote in der Pandemie ist klar, dass die Menschen sich nach einem echten und emotionalen Kunsterlebnis sehnen, auch nach einem gemeinsamen Erlebnis nach der langen Isolation. Kunst ist genau das Gegenteil davon. Sie lädt ein, in Dialog zu gehen, sich zu äußern, sich nahe zu sein. Das kann man im Museum besonders gut.


Traut sich das Publikum?
Die Zahlen übertreffen unsere Erwartungen. Dass trotz langer Schlangen vor den Geschäften viele Menschen kommen, ist schön. Am zweiten Tag waren es rund 900 Leute.


Wie ist es einer Generaldirektorin mit leeren Museen gegangen?
Ich bin aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder durch die Säle gegangen. Aber ich muss Ihnen sagen: Es war kein freudvolles Erlebnis. Es fehlten die Menschen vor den Bildern und Skulpturen und das Leben im Museum. Geht man durch die Gemälde-Galerie, knistert der Parkettboden. Das Kunsterlebnis ist nicht nur eine intellektuelle, emotionale Erfahrung, sondern auch eine körperliche.


Wie lautet Ihre Bilanz des Jahres 2020? Und was bedeuten die Verluste bis zu 71 Prozent im Verband für 2021 und 2022?
Wir sind, wie alle anderen auch, ganz plötzlich und unverschuldet in diese Pandemie gestoßen worden. Die Fragen lauteten: Wie gehen wir mit budgettechnischen Fragen und mit unseren MitarbeiterInnen um, welche Aktivitäten wollen wir setzen und was bedeutet das für die Planungen? Museen denken und planen in der Regel zwei bis drei Jahre voraus. Wir haben uns entschlossen, eine Vorwärtsstrategie einzuschlagen.


Wann rechnen Sie wieder mit einem Normalbetrieb?
Wir glauben, dass es bis ins Jahr 2023 dauern wird, bis sich die allgemeinen Rahmenbedingungen konsolidieren. Diese Entscheidung wurde in Absprache mit den Bundesmuseen, dem Ministerium, Wien-Tourismus, Österreich-Werbung etc. getroffen. Wir haben unsere Budgets in Drittel-Schritten aufgesetzt. 2021 werden wir uns um 30 Prozent erholen, 2022 um 60 Prozent und 2023 werden wir wohl wieder auf dem Niveau von 2019 sein. Das hängt auch von Impfstrategie und Reisebeschränkungen ab. Wir hoffen auf ein stärkeres Besucheraufkommen im Herbst.


Im Herbst feiert das KHM 130-jähriges Jubiläum. Glauben Sie an ein großes Fest im Herbst?
Ich glaube unerschütterlich an das Museum und daran, dass gerade das KHM wie ein Fels in der Brandung ist. Das Geburtstagsgeschenk an unsere Besucher ist einerseits eine wunderbare Ausstellung zu „Tizians Frauenbild“, die auch ein bisschen dafür steht, was das Haus an Schätzen hat. Und: Jeder Besucher hat an seinem eigenen Geburtstag freien Eintritt.


In Lockdown Nummer eins starteten Sie zaghaft mit Online-Aktivitäten. Warum?
Wie auch bei allen Aktivitäten im analogen Museum sind wir um Qualität bemüht. Wir haben in einer Zeit, in der viele MitarbeiterInnen in Kurzarbeit waren, zunächst unser bestehendes digitales Angebot geordnet. Vor allem wollten wir nachhaltige digitale Angebote schaffen und nicht in die Falle tappen, dass das digitale Museum den analogen Besuch ersetzen kann. Ich war immer dagegen, schnell hingeworfene Videos zu produzieren. Dafür stehen wir nicht. Meiner Meinung nach haben wir sehr klug neue Formate entwickelt wie den „ArtApertivo“ auf Instagram oder die virtuelle Tour „Bruegel begegnen“. Wir sind gerade dabei, über die Monetarisierung von digitalen Formaten nachzudenken. Das digitale Museum hat sich seinen Platz sehr schnell erobert und wird auch bleiben.

Jasper Sharp, Stefan Weppelmann und Andreas Kugler: Zuletzt gab es viele Abgänge zu vermelden. Hat das etwas zu bedeuten?
Ganz grundsätzlich sehe ich das sehr entspannt. Personelle Fluktuation ist etwas Normales in Unternehmen. Diese Abgänge sind prominenter, weil sie mit einem konkreten Ausstellungsprojekt, „Beethoven bewegt“, verbunden waren. Stefan Weppelmann, Direktor der Gemäldegalerie, ist an das Museum für Bildende Künste nach Leipzig gewechselt. Er hat das als Karriereschritt für sich gesehen. Andreas Kugler, ehemals stellvertretender Direktor im Theatermuseum, hat als Co-Kurator fungiert, aber es stand schon länger im Raum, dass er sich weiterentwickeln wollte. Mit Adjunct Kurator Jasper Sharp haben wir 2011 eine Schiene zu moderner und zeitgenössischer Kunst entwickelt. Er war nicht fix angestellt.


Bedeutet sein Abgang das Aus für zeitgenössische Schauen?
Nein, diese Schiene ist nicht mehr wegzudenken. Dieses Programm wird nicht eingespart.


Zuletzt gab es einen Vorstoß von den Neos, das umstrittene Heeresgeschichtliche Museum und das Haus der Geschichte Österreich zusammenzulegen. Das hätte auch Auswirkungen für Sie?
Das Schicksal des Hauses der Geschichte Österreich, das zur Nationalbibliothek ressortiert, ist für uns insofern relevant, weil wir die Räumlichkeiten vermietet haben. Ich werde aber nicht dem Beispiel von KollegInnen folgen, über die Medien bessere Konzepte auszurichten. Das HdGÖ ist eine Institution, die im Regierungsabkommen verankert ist. Wir haben die Räumlichkeiten vermietet, die wir um sechs Millionen Euro mit Steuergeld baulich saniert haben – für eine Aufstellung des Heroons von Trysa. Daran halten wir fest. Aber die Überlegung, die beiden Museen an einem Standort zusammenzuführen, ist nicht von der Hand zu weisen.


Im Koalitionsabkommen ist eine Bundesmuseen-Holding vereinbart. Ihr Standpunkt dazu?
Entscheidend ist: Was soll so eine Holding leisten? Und was ist der Mehrwert für die Bundesmuseen? Wir im KHM-Verband haben ja so etwas wie eine Mini-Holding. Es ist von Schlagworten wie Synergie-Effekten, Service-Abteilungen oder Kollektivverträgen die Rede. Wenn eine Holding nur eine Struktur wäre, die draufgesetzt werden würde, sehe ich den Mehrwert nicht, sondern erkenne nur höhere Kosten.


Sehen Sie auch Vorteile?
Mögliches Themenfeld, das ein Holding-Chef oder eine Holding-Chefin vorantreiben könnte, wäre ein Bundesdepot für die Bundesmuseen und andere Kulturinstitutionen. Ich stehe dem Thema weder ablehnend noch zustimmend, sondern lösungsorientiert gegenüber.