Der Leopold ist noch im Dezember abgefahren, durch eine eigens geschaffene Durchfahrt, ein Riesenloch. Das 140 Tonnen schwere Bohrpfahlgerät mit dem illustren Namen hat dabei mitgeholfen, dass ein neues Fundament aus mit rund 40 Beton ausgefüllten Pfählen geschaffen werden kann. Das bedeutet: An der Baustelle des Wien Museum am Karlsplatz startet 2021 nach den Plänen des kärnterisch-steirischen Architekturbüros  Certov, Winkler + Ruck Architekten die Phase des Hochbaus.

"Wir liegen trotz Corona im Zeitplan und im Kostenrahmen", sagt Finanzdirektorin Christina Schwarz. Ende 2021, skizziert sie, soll der Hoch- und Rohbau abgeschlossen sein. Im Fokus der Bauarbeiten stehen in diesem Jahr: Bodenplatten, Wände sowie zunächst der konstruktive Stahlbau. Gerechnet wird mit einem Budget von 108 Millionen Euro und einer Eröffnung 2023: mitsamt frei zugänglicher neu geschaffener Terrasse, die einen atemberaubenden Blick auf den Karlsplatz und auf die nebenstehende Kuppel der Karlskirche bietet.

Und Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler freut sich, dass das Wien Museum in diesen enervierenden Zeiten "extrem aktiv und lebendig" wirke. Denn: "Es gibt immer wieder Zeichen der Hoffnung", die stark von der Kunst- und Kulturszene ausgehen würden.

Querschnitt des neuen, um den denkmalgeschützten Bau erweiterte Wien Museum
Querschnitt des neuen, um den denkmalgeschützten Bau erweiterte Wien Museum © Certov / Winkler + Ruck Architekten

Das Programm 2021

Direktor Matti Bunzl schickte voraus, dass man angesichts der Pandemie keine genauen Zeiten der Eröffnung nennen werde. Klar ist aber, dass man die verfügbaren Räumlichkeiten "aufsperren werde", sobald man dürfe. Allen voran das MUSA sowie die Hermesvilla im Lainzer Tiergarten. Bei kleineren Räumen wie dem 2019 neu inszenierten Neidhardt-Saal oder auch bei Bezirksmuseen würde sich das Aufsperren nach aktuellen Sicherheitsmaßnahmen wegen der Größe nicht rentieren.

Nebst der neuen Dauerausstellung, die sich, so der Direktor, "ähnlich wie beim Guggenheim" in eine Richtung in die Höhe schrauben soll und so die Vergangenheit bis hin zur Gegenwart Wiens ablichten soll, seien viele Projekte trotz Corona bereits fertig oder in Planung.

Augenblick! Straßenfotografie in Wien

Das Wien Museum beherbergt, so Bunzl, auch eine Fotosammlung. Daraus haben die KuratorInnen Frauke Kreutler und Anton Holzer die Schau "Augenblick!Straßenfotografie in Wien" kuratiert, die sowohl Alltag, Street Life als auch die Veränderungen einer Großstadt von 1860 bis jetzt abbildet. Darin sind  Arbeiten vom Who-is-Who der heimischen Szene u.a. Emil Mayer, August Stauda, Franz Hubmann, Ernst Haas, Erich Lessing, Barbara Pflaum, Edith Suschitzky (Tudor-Hart), Elfriede Mejchar, Robert Haas und vielen mehr.

Auf Linie: NS-Kulturpolitik in Wien

Die Schau erforscht die „Reichskammer der bildenden Künste“, die im Nationalsozialismus die mächtigste Institution zur politischen Lenkung des Kunstgeschehens war. Die Mitgliedschaft war für alle verpflichtend und Voraussetzung für eine künstlerische Berufsausübung. Von rund 3000 Wiener Künstler*innen haben sich die Mitgliederakten überliefert.

Nun wurden sie erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet. "Die Kurator*innen Ingrid Holzschuh, Gerhard Milchram und Sabine Plakolm-Forsthube haben fundamentale historische Basisforschung betrieben", so Bunzl. Diese Ausstellung sei auch eine "Autoreflexion über das Wien Museum". Denn: "Was heißt es, solche Objekte in der Sammlung zu haben und wie sollen wir damit umgehen?" Im Zusammenhang damit wird auch die Rolle Oswald Haerdtels, er plante das Wien Museum, genauer untersucht.

Vor der Ankerbrotfabrik. Titel: Almost Detroit
Vor der Ankerbrotfabrik. Titel: Almost Detroit © Wojciech Czaja

Almost: Wiener Weltreisen 1873 / 2020

Im Lockdown mutierte der Bauzaun am Karlsplatz zur Open-Air-Galerie. Das werde man beibehalten: Ab 11. Februar ist dort die Schau "Almost: Wiener Weltreisen 1873/2020" nach einer hinreißenden Idee in Kombination zweier Serien zu sehen. Ausgangspunkt ist ein Projekt des Architekturjournalisten Wojciech Czajaim, der mit seiner Vespa im ersten Lockdown die große Welt innerhalb der Wiener Stadtgrenzen erforschte und Gebäude, architektonische Details und urbane Stimmungen fotografierte, die ihn an Metropolen oder Sehnsuchtsorte in der Ferne erinnerten. Die Postings unter "Almost Paris", "Almost New York" oder "Almost Hong Kong" wurden Kult. Gegengeschnitten werden seine Arbeiten mit jenen von der Weltausstellung 1873 im Prater, bei der viele Menschen sozusagen eine Weltkreise im Kleinen unternahmen.

Wiener Bezirksmuseen reloaded

Wien ist einige der wenigen Städte weltweit, in der jeder Bezirk ein eigenes Museum hat - und seit Kurzem sogar eine eigene Stabstelle. Die Auffrischung dieser musealen Kleinode soll 2021 nun durch zwei Projekte sichtbar werden: durch Kunstinterventionen im Tröpferlbad in Wieden, in dessen Haus sich auch das Museum befindet und durch die Schau "Vor Schand und Noth gerettet«?! Findelhaus, Gebäranstalt und die Matriken", die sich in der Josefstadt mit Gebärhäusern, der Situation von Müttern oder Findelkindern auseinandersetzt. 

Wer es nicht mehr erwarten kann, dem stehen im digitalen Wien Museum bereits mehr als 50.000 Objekte aus der Sammlung zum Online-Stöbern zur Verfügung. Alle Details: wienmuseum.at