Die Befürchtungen waren groß. Wie sehr würde sich die Angst vor der Verbreitung des Coronavirus auf die bis Sonntag laufende Madrider Kunstmesse ARCO auswirken? Immerhin handelt es sich bei der ARCO um eine der publikumsstärksten Kunstmessen der Welt, die jedes Jahr über 100.000 Besucher anzieht.

Vor einer Woche wurde in Barcelona sogar der Mobile World Congress aus Angst vor dem Coronavirus komplett abgesagt. Aber die Sorgen der neuen ARCO-Messeleiterin Maribel Lopez waren anscheinend unbegründet. "Es gab kaum Absagen von Galerien, bisher scheinen auch die Besucherzahlen mit denen der letzten Jahre übereinzustimmen", freut sich Lopez. Auch alle elf Galerien aus Italien sind erschienen.

Keine Gesichtsmasken

Tatsächlich sind die Madrider Ifema-Messehallen voll wie immer. Gesichtsmasken Fehlanzeige. Reger Betrieb an fast allen 209 Galerie-Ständen aus 30 Ländern. Auch am Stand der Wiener Galerie Krinzinger ist viel los. Das Selbstporträt der Kartoffel schälenden Marina Abramovic, die grandiose Installation "On the Rack" von Monica Bonvicini und das großformatige, abstrakte Werk des Spaniers Secundino Hernandez für 120.000 Euro wecken besondere Aufmerksamkeit. Unterdessen bilden sie teils kleine Menschentrauben vor den farbigen Werken von Jonathan Meese, welche die Außenwand des Galeriestands schmücken.

"Auf der ARCO spüren wir gar nichts von dieser Coronavirus-Hysterie, die Geschäfte laufen gut. Schon am ersten Messetag haben wir bereits vor allem viele Werke unserer jüngeren Künstler verkaufen können", erzählt Thomas Krinzinger. Der Wiener Galerist kommt seit über 30 Jahren zur ARCO. "ARCO ist eine wichtige Messe, um Geschäfte in Spanien zu machen. Fast 80 Prozent unserer Käufer auf ARCO sind spanische Kunstsammler", so Krinzinger.

Ein Kunstwerk von Olafur Eliasson
Ein Kunstwerk von Olafur Eliasson © APA/AFP/GABRIEL BOUYS (GABRIEL BOUYS)

"Wir sind erst ein paar Mal auf der ARCO gewesen. Doch wir haben gemerkt, wie wichtig diese Messe ist, um in Kontakt mit Sammlern aus Lateinamerika zu kommen", versichert ein paar Stände weiter Elisabeth Konrath von der Wiener Galerie Martin Janda. ARCO gilt traditionell als Brücke zwischen dem europäischen und dem lateinamerikanischen Kunstmarkt. So kommen auch fast 67 Prozent aller internationalen Galerien aus Lateinamerika, vor allem aus Brasilien und Argentinien.

Bei Martin Janda treffen vor allem die ausgestellten Werke von Július Koller beim lateinamerikanischen Publikum auf Interesse, da der slowakische Künstler kein Unbekannter in Lateinamerika ist. Dabei hat die Galerie seine Werke mit denen der in Wien lebenden türkischen Künstlerin Nilbar Güres in einen interessanten Dialog gesetzt. Ihre Werke kreisen um Themen wie religiöse Freiheit, Identität, Umwelt, Feminismus, sexuelle Freiheit. Damit liegen sie voll im Trend, schaut man sich die Werke anderer Künstler auf der ARCO an.

"Es gibt viele sozialkritische Werke in diesem Jahr. Doch Gott sei Dank kein Skandalwerk", lacht ARCO-Leiterin Maribel Lopez. In den vergangenen Jahren fing die Madrider Kunstmesse tatsächlich stets mit einer Polemik an. Vor zwei Jahren war es eine Foto-Installation mit Kataloniens "politischen Gefangenen". Im letzten Jahr eine zu verbrennende Pappmaché-Nachbildung von König Felipe, der am Donnerstag bei der offiziellen Eröffnung endlich mal wieder entspannt über die ARCO ziehen konnte.

Am Stand der Berliner Galerie KOW sind Marien-Jungfrauen in einem Mixer zu sehen und der kubanische Künstler Marco Castillo, Ex-Mitglied von Los Carpinteros, verglich Spaniens ehemaligen Diktator Franco in einem Installations-Wortspiel mit Kubas verstorbenen Fidel Castro. Am Stand der Forsblom-Galerie sorgte das Werk "Franco war nicht so schlecht, wie man sagt" des in Madrid lebenden finnischen Künstlers Riiko Sakkinen für ein wenig Aufregung. Aber das war es auch schon.

Das Werk von Finnish Riiko Sakkinen
Das Werk von Finnish Riiko Sakkinen © APA/AFP/GABRIEL BOUYS (GABRIEL BOUYS)

Vor allem sind bei der 39. ARCO-Ausgabe spanische Künstler präsenter als in anderen Jahren. Dalí, Picasso, Miró, Tápies, Saura, Antonio López. Die Galerie Lelong bietet erstklassige Plastiken von Jaume Plensa für 430.000 Euro an und ein wundervolles Miró-Gemälde für 800.000 Euro. Am Stand der Schweizer Galerie Hauser & Wirth verzaubert eine 4,5 Tonnen schwere Stein-Skulptur des Spaniers Eduardo Chillida.

Bei der US-amerikanischen Galerie Tyler Nahem steht das Porträt von Picassos letzter Ehefrau Jacqueline Roque zum Verkauf - mit 6,2 Millionen Euro das anscheinend teuerste Werk auf der ARCO. Das daneben hängende Werk von Roy Lichtenstein wurde bereits am ersten Messetag für 624.000 Euro von der deutsch-spanischen Galeristin Helga de Alvear gekauft, die nur wenige Meter weiter spannende Fotoarbeiten von Candida Höfer anbietet.

© APA/AFP/GABRIEL BOUYS (GABRIEL BOUYS)

Die Galerie Nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder wartet mit unter anderem mit großformatigen Arbeiten von Herbert Brandl und Tür-Installationen von Heinrich Dunst auf. Bei der Galerie Krobath stehen Julian Opie, Ugo Rondinone und Katja Strunz im Mittelpunkt. Am Stand der Wiener Crone Galerie stechen die abstrakte Malerei von Daniel Lergon und die "Firepaintings" von Erez Israeli hervor. Die Stars am Stand von Georg Kargl sind die Spiegel-Foto-Installation von Andreas Fogarasi und die Wollteppich-Fotowand-Collage von Rosa Rendl.

Trotz des Coronavirus scheint die diesjährige ARCO wieder ein Erfolg zu werden, auch wenn das diesjährige Konzept "It's Just a Matter of Time" nicht überzeugen kann. Anstatt des traditionellen Gastlandes werden die Werke junger Künstler gezeigt, die sich am erwähnten Konzept des kubanischen Künstlers Félix Gonazález-Torres orientieren. Dafür überzeugen aber die jungen Künstler in der Sektion "Opening", in der sich Galerien vorstellen, die nicht älter als sieben Jahre sein dürfen und frische Talente anbieten.

Wie die ARCO so werden dieser Tage in Madrid auch die zahlreichen, parallel stattfindenden Kunstmessen wie die auf Streetart spezialisierte Urvanity-Messe, ARTist, ArtMadrid oder der Salon für Moderne Kunst (SAM) gut besucht. Auf der JustMadrid stehen vor allem junge, aufstrebende Künstler im Mittelpunkt wie beispielsweise die russische, in Wien lebende Künstlerin Anna Khodorkovskaya, deren Papierarbeiten und kleinen Mosaike, die mit viel Humor zur Reflexion der Kunstwelt selbst anregen, am Messestand der Klagenfurter Galerie Galerie 3 zu sehen sind. Galeristin Lena Freimüller zeigt zudem Elisabeth Wedenigs interessanten Malereien auf alten Taschentüchern und Karen Elliots dreidimensionalen Collagen, die Kolonialisierung und globale Beziehung thematisieren. Bei so vielen interessanten Kunstmessen scheint selbst das sich global ausbreitende Coronavirus in den Hintergrund zu treten.