Das erste Mal war er in den 80ern hier „und las mit Christina Busta in einem wunderbaren Schloss“. Seit damals hält Eugen Gomringer Graz die Treue, und da vor allem dem Museum der Wahrnehmung (Muwa), zu dem eine fruchtbare Verbindung gewachsen ist. Mit Joseph von Eichendorffs „Mondnacht“ beschrieb der in Bolivien geborene Schweizer dieses für ihn wichtige „Stück Heimat“ in einem Gespräch mit uns, freilich nicht ohne Verschmitztheit: „Und meine Seele spannte / Weit ihre Flügel aus, / Flog durch die stillen Lande, / Als flöge sie in die Hauptstadt Graz nach Haus ...“

"Mensch" (1961)
"Mensch" (1961) © kk/Gomringer


Gomringer ist der Vater der konkreten Poesie. 1954 stellt er sie in Bern als Antwort auf die gegenstandslose konkrete Kunst etwa eines Max Bill oder Piet Mondrian vor. „der beitrag der dichtung wird sein die konzentration, die sparsamkeit und das schweigen“, lautet der Auftrag, dem Autoren wie Ernst Jandl, H. C. Artmann oder Kurt Marti folgen sollten, und den Gomringer, inzwischen 94 Jahre jung, bis heute erfüllt. Quasi wie ein Maler oder Komponist arrangiert der im bayrischen Rehau lebende Künstler sein Material syntaxlos nach grafischen und klanglichen Aspekten – Schriftsteller im Wortsinn.

"das schwarze geheimnis" (1961)
"das schwarze geheimnis" (1961) © KK/Gomringer


Nun würdigt das Muwa den Dichter, der sich als „Verdichter“ versteht und um dessen Werk „avenidas“ an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin 2017 eine groteske Debatte um angebliche Frauenfeindlichkeit entbrannte, mit einer Großausstellung. In dieser ist Gomringer selbst mit nur drei Arbeiten vertreten – und doch irgendwie in jeder der gezeigten. Denn das Muwa lud gleich 27 Künstlerinnen und Künstler ein, die im Haus schon einmal präsent waren und großteils in Kontakt zu Gomringer stehen. Für Sabine Richter vom Muwa, selbst mit zwei Werken zugegen, ist es faszinierend, „wie alle Beteiligten versuchen, so einfach und konzentriert wie möglich zu arbeiten, aber jede und jeder mit anderem Fokus“.

Dóra Maurer, aus der Serie "Hidden Structures"
Dóra Maurer, aus der Serie "Hidden Structures" © KK/Maurer


Pars pro toto: Dóra Maurer und Vera Molnár, Tony Cragg und John Carter tragen zur dichten Packung konstruktiver Kunst bei. Detto Kreative mit „Heimvorteil“ wie Siegfried Amtmann oder Manfred Makra sowie Vera Röhm und Diet Sayler, die schon mit Gomringer für Mappen kooperierten.

Wie der große Dichter, Kunsttheoretiker und Kunstsammler selbst die Ausstellung sieht, die im Titel hinter seinen Namen zu Recht ein Rufzeichen setzt? „Alles sehr schön, aber dass das Muwa die Schau mir zu Ehren macht, halte ich für völlig unbegreiflich.“ Eugen Gomringer, Schalk im Zweitberuf.

Das Museum derr Wahrnehmung im Grazer Augarten
Das Museum derr Wahrnehmung im Grazer Augarten © KK/Muwa