Ein Team aus Historikern, Archäologen und Genetikern um Krishna Veeramah von der Stony Brook University im US-Staat New York untersuchte zwei Gräberfelder, die schon zuvor als eindeutig langobardisch identifiziert waren. Eines davon ist im damaligen Pannonien und heutigen Ungarn (Szolad), das andere in Norditalien nahe Turin (Collegno). Die Forscher analysierten dabei, wie die Gräber angelegt wurden, welche Beigaben sie enthielten, und sequenzierten das Erbgut aus den Menschenschädeln und -Zähnen.

Die 45 Gräber in Ungarn stammten wohl von einer mobilen Gruppe von Langobarden-Siedlern, die sich dort nur 20 bis 30 Jahre aufgehalten hat, und wurden im mittleren Drittel des sechsten Jahrhunderts angelegt, berichten die Wissenschafter. Die 57 letzten Ruhestätten in Collegno datierten die Forscher hingegen als aus den Jahren 580 bis 630 und ordneten sie einer sesshafteren Clique zu. "Diese beiden Gräberfelder bezeugen die schriftlich überlieferte Wanderung der Langobarden im Jahr 568 von Pannonien nach Italien", sagte Studienmitautor Walter Pohl vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Gespräch mit der APA.

In beiden Gräberfeldern setzte sich die Belegschaft nicht aus bloß nur Männern eines einzelnen Germanenstammes zusammen, wie man sich die Völkerwanderung in deutsch-nationalen Zeiten gerne vorgestellt hat, erklärte Pohl. Im ungarischen Fundort waren es zwei und in Italien drei Familiengruppen, die sich nicht nur genetisch, sondern auch kulturell stark unterschieden.

Im Kernbereich der Gräberfelder lagen sozial hochgestellte Männer in holzverkleideten Ruhestätten mit großzügigen Beigaben wie Waffen und Schildern. Rund um sie waren in ebenso reich ausgestatteten Gräbern die Frauen des selben Klans begraben, auch ihnen hatte man Schätze wie Broschen und Perlenketten mitgegeben. Diese Männer und Frauen waren ein genetisch abgeschlossener Familienverband, der sich nur wenig mit den anderen mischte, und am ehesten mit den heutigen Nord- und Mitteleuropäern verwandt ist. Dann wiederum gab es Gräber ohne Beigaben, bei denen die DNA in den menschlichen Überresten eher von südeuropäischer Abstammung zeugen. "Es lebten hier also unterschiedliche Gruppen zusammen und bildeten sozusagen Multikulti-Siedlungen", so Pohl.

Bei der ungarischen Fundstätte deute alles darauf hin, dass Individuen mit nord- bis mitteleuropäischem Hintergrund sowie südlichem Erbe trotz ihres unterschiedlichen genetischen und materiellen Hintergrunds gemeinsam nach Szolad immigriert sind, so die Forscher in einer Aussendung der Stony Brook University. In Collegno wiederum war es wahrscheinlich so, dass die Nord- und Mitteleuropa-stämmigen Barbaren eingewandert sind und sich mit lokalen Gruppen von vorwiegend italienischem Ursprung zusammenfanden. Sie hielten die genetischen Unterschiede jedoch in beiden Fällen weitgehend aufrecht, mischten sich also nicht und lebten zusammen, ohne dass sich der eine in die Kultur des anderen "integrierte".