Ein Projekt vom Kulturjahr Graz 2020 hat nun auch einen Ausstellungsraum in Wien bekommen: Der Mikrowald aus knapp 800 Pflanzen, der aktuell am Grazer Freiheitsplatz wächst, spendet beinahe schon medidative Live-Bilder in die Creative Climate Care Galerie in den Keller des Museums für angewandte Kunst (MAK) am Wiener Stubenring. Mit dem Klima-Kultur-Pavillon setzt das Breathe Earth Collective bis zum 15. August einen bezaubernden Prototyp und einen sinnlichen Erfahrungsraum zur Kühlung der Stadt um.

Die erweiterte Ausstellung im MAK geht noch einen Schritt weiter. Sie zeigt konkrete Transformationen und Visionen für ein klima-positiveres Wien und bringen dem Publikum diese via Klima-Geschichten näher. "Es bringt nichts, ständig über Zukunft zu sprechen, wir müssen sie jetzt bereits gestalten, um bis 2030 auch nur annähernd unsere Klimaziele zu erreichen", betont das fünfköpfige Breath Earth Collective. Und: Man müsse jetzt darüber nachdenken, wie Städte 2040 aussehen könnten, ergänzt Markus Jeschaunig. "Wir könnten uns einiges von der Friday for Future-Bewegung abschauen. Am besten wäre es, wir würden diesen Wechsel für Veränderung einplanen - zum Beispiel jeden Freitag arbeiten wir daran, planen die Umsetzung etwa eines neuen Heizsystems", sagt Andreas Goritschnig.

Viele Visionen für Wien und eine Live-Schaltung aus dem Grazer Stadtwald
Viele Visionen für Wien und eine Live-Schaltung aus dem Grazer Stadtwald © (c) Georg Mayer

Die Visionen für das Wiener Pflaster sind aufregend: Für das Jahr 2023 hat das Kollektiv den Wiener Schwarzenbergplatz neu gestaltet. Einer der heißesten Punkte der Stadt wird zum Ort für urbane Sommerfrische - mit kleinen Waldinseln, kühlenden Moostürmen, klimaresilientem Gehölze oder so genannten Evapotrees. Dabei handelt es sich um technische Bäume, welche mit Moos bewachsen sind und mit Hochnebeldrüsen ausgestattet sind, die die Luft in der Umgebung reinigen und ein kühlendes Mikroklima schaffen. Überhaupt "Magic Moos". Es bindet nicht nur CO2 und reduziert Feinstaub, sondern unterstützt durch die Fähigkeiten als Wasserspeicher auch die Kühlung und reduziert Lärm. Ein wahres Wundergewächs also. Architektonisch bekäme der Schwarzenbergplatz auch einen Kühlturm mit textiler Verschattung, ein Sommerkino, Kaltluftbecken, eine Bühne, einen neuen Park, einen Gemeinschaftsgarten und versickerungsoffene Straßen rundherum - mitsamt regelmäßigen Klima-BürgerInnen-Versammlungen. Vom Verkehrsknotenpunkt zum Lebensplatz.

Eine weitere Vision widmet sich atmenden Gebäuden und ist mit 2025 datiert. Hintergrund: 90 Prozent unserer Zeit verbringen EuropäerInnen in Innenräumen. Ökosysteme in unsere Umgebung zu integrieren, wäre ein weiterer, gesundheitsfördernder und energiesenkender Schritt. Die Ideen dafür: Rad-Highways zu Bürogebäuden, offene Klima-Kultur-Räume, CO2-Bänke, Kantinen mit Bäumen, ein klimaaktiver Garten, ein regionaler Greissler oder eine Klima-Kultur-Bibliothek - mitsamt Bar. Die natürliche Klimaanlage im Sommer sowie den Wärmepufferspeicher bei Frischluftansaugung im Winter gibt es kostenlos dazu.

Wo das alles enden soll? Urban betrachtet, in einer "atmenden Stadt", wie sich die Vision für 2027 nennt. Diese enthält: vertikale Grünfassaden, hybrid genützte Wolkenkratzer mit Korridoren, die kühlen, Feinstaub filtern und gesunde Salz-Aerosole produzieren. Vorgesehen sind ein Spielplatz mit einem Kaltluftsee, Frischluftsenken, kühlenden Straßen, urbanen Stadtwäldern und einen Wald als Klimaanlage, wie er gerade am Grazer Freiheitsplatz steht. "Denken Sie einmal, wenn man sich den Wiener Gürtel autobefreit vorstellen würde - was dann alles möglich ist", sagt Lisa Maria Enzenhofer.

Das Breathe Earth Collective
Das Breathe Earth Collective © Breathe Earth Collective

Und für 2029 serviert das Kollektiv eine XL-Stadt: eine Klima-Kultur-Landschaft, die auf Forschungen und Planungen zur deutschen Weizen-Hochburg Thüringen basiert. Diese ist so angedacht, dass sie Winderosion reduzieren kann, natürliche Windkorridore schafft, Hitzeinseln reduziert und Hochwasser, Stürme oder Trockenperioden alleine kompensieren kann. Die monotonen Weizenfelder werden um grüne Bänder, schlüssellinienförmige Wasserspeicherungen, Humus-Aufbau, ganzjährige Grünflächen und vieles mehr ergänzt.

Am Montag führte MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein eine Delegation mit Stadtrat Günter Riegler und Graz 2020-Programmmanager Christian Mayer durch die Schau. Um zu unterstreichen, dass der Wald am Freiheitsplatz nur der Anfang sein kann.