Fokus der europaweiten Forschung zu "Identity on the line" waren die Gefühle der befragten Personen, die mit Migrationserfahrungen und Identitätsbildung zusammenhängen: Sehnsucht und Zugehörigkeit oder Verbundenheit und Entfremdung sind nur zwei von fünf Gegenpolen, die in der Ausstellung im Grazer Volkskundemuseum aufbereitet wurden.

"Je mehr ich darüber nachdenke, bin ich überall eine Ausländerin – in Slowenien, in Kroatien und heute auch in Serbien", erzählte eine mehr als 60-jährige Frau, die aus Serbien nach Slowenien migrierte.

Verborgene Geschichten

Für Geschichten wie diese wurden insgesamt 200 Personen aus drei Generationen befragt. Sechs europäische kulturhistorische Museen und je eine Universität in Dänemark, Kroatien, Litauen, Norwegen, Polen, Schweden und Slowenien kooperierten. Aus dem vielen Material kristallisierten sich schließlich die gemeinsamen Gefühle heraus, die die Geschichten miteinander verbinden.

Besucher können in der Schau zwischen den verschiedenen Geschichten hin- und herwandern
Besucher können in der Schau zwischen den verschiedenen Geschichten hin- und herwandern © Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Untersucht wurden Migrationsbewegungen der vergangenen 100 Jahre, die lange im Verborgenen blieben. So können die Besucher beispielsweise das Volk der Sámi kennenlernen. 1919 wurde das Recht der Sámi eingeschränkt und somit auch bestimmte Gebiete als Weideland für ihre Rentiere. Viele Familien wurden gezwungen, in neue Gebiete zu ziehen. Die Sámi, die bereits in diesen Gebieten lebten, empfanden die Neuen als Eindringlinge.

"Habe ich das Recht, um einen Ort zu trauern, der nie mir gehört hat?", fragt sich zum Beispiel Elin Anna Labba, die Enkelin eines Nordsamen ist.

Gegensätzliche Gefühlslagen stehen im Fokus der Ausstellung
Gegensätzliche Gefühlslagen stehen im Fokus der Ausstellung © Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Die ausgewählten Geschichten auf den Schautafeln werden von Aufnahmen aus Fotoalben oder Abbildungen persönlicher Gegenstände unterstützt. QR-Codes laden zudem ein, im Internet den historischen Kontext nachzulesen.

Außerdem kann man noch immer auf "identityontheline.eu" die eigene Migrationsgeschichte teilen – auch anonym.

Die Aufbereitung der Schau, die 2022 den Preis der European Museum Academy erhielt, mag in ihrer Vielzahl an Schau- und Lesetafeln anfänglich trocken und textlastig erscheinen. Liest man aber die ersten Geschichten, werden die Menschen in ihnen greifbar. Und man findet sich vielleicht selber in der einen oder anderen Erzählung wieder.

"Identity on the line": Bis 18. Juni im Volkskundemuseum am Paulustor, Paulustorgasse 11, Graz.
www.identityontheline.eu