Morgen, 21 Uhr. Ab da wäre der Wiener Rathausplatz wieder ein Schaufenster in die österreichische Identität gewesen. Die Eröffnung der Wiener Festwochen bei freiem Eintritt ist der Auftakt für eine der schönsten Jahreszeiten im Kulturkalender. Heuer ist bekanntlich alles anders, und erstmals seit 1951 fällt das Festival coronabedingt aus. Es wäre das erste aussagekräftige Programm von Intendant Christophe Slagmuylder gewesen, mit dem Titel „Last Time, This Time, Next Time“, nachdem er im Vorjahr sehr kurzfristig die Leitung des Festivals übernommen hatte.

„Ich bin extrem enttäuscht, dass wir das Festival in der geplanten Form absagen mussten“, sagt er am Telefon zur Kleinen Zeitung. Er befindet sich aktuell in Belgien, wird aber in den nächsten Tagen nach Wien reisen. Eine komplette Verschiebung war nie wirklich angedacht. „Ein Festival ist ein einmaliges Zusammenspiel aus Zeit und Raum mit dem Publikum – das lässt sich nicht online ausführen oder mittels Copy & Paste verschieben“, sagt Slagmuylder. „Seit Ausbruch der Pandemie haben wir an einem Plan B gearbeitet, mittlerweile sind wir schon bei einem Plan F oder G angelangt.“

"Wir brauchen dringend Antworten, und zwar jetzt"

Es sei ja weiterhin unklar, wie die weltweite Reisesituation aussehen wird, wann Theater wieder aufsperren und größere Veranstaltungen möglich sein werden. In Richtung Politik formuliert der Festwochen-Chef auch Kritik: „Wir brauchen dringend Antworten, und zwar jetzt. Es sieht so aus, als hätte die Kunst- und Kulturbranche in Österreich nicht die allergrößte Priorität.“

Ein bisschen Festivalstimmung wird es mit Interventionen im öffentlichen Raum dennoch geben: Am Samstag hätten Theatermacher Milo Rau und die indigene Aktivistin und Schauspielerin Kay Sara die Eröffnungsrede unter dem Titel „Against Integration“ im Burgtheater gehalten. Nun wird sie am Samstag online publiziert, inklusive Videolesung auf festwochen.at. Und in den sozialen Medien gibt es täglich „kleine Gesten“, die auf das Programm verweisen.

Noch hofft das Festival auf die Zeit nach dem Sommer: „Alle Eigenproduktionen und Koproduktionen werden stattfinden, die meisten aber wohl erst 2021. Einige wie ,Requiem‘ von Romeo Castellucci und ,Eraser Mountain‘ von Toshiki Okada würden wir gerne im Herbst zeigen“, sagt Slagmuylder.

Die Produktion "Eraser Mountain" von Toshiki Okada feierte in Kyoto Premiere, das Bühnenbild ist schon in Wien
Die Produktion "Eraser Mountain" von Toshiki Okada feierte in Kyoto Premiere, das Bühnenbild ist schon in Wien © Yuki Moriya

Ebenso wie Anne Teresa De Keersmaekers neue Choreografie „Die Goldberg Variationen, BWV 988“ nach Bachs Klavierzyklus, die ihre Weltpremiere in Wien gefeiert hätte. Sie probe weiter. Man bleibe flexibel. Eines steht aber fest: „Wenn wir im Herbst Produktionen zeigen können, hat es Sinn, sie als kleines Programm zu zeigen und sie in einen Dialog zueinander zu setzen“, so Slagmuylder.