Zehn Umfragen, durchgeführt von fünf Instituten im Auftrag von ebenso vielen Medien und einer Partei haben die Erwartungen in die Tiroler Landtagswahl am letzten Sonntag geprägt. Bis auf eine lagen sie vor allem bei der ÖVP weit daneben. Das lässt sich nicht einfach dadurch erklären, dass sie kurz vor der Entscheidung ihre Anhänger enorm mobilisiert hat. Die bewährte Ausrede, es handle sich nie um Vorhersagen, sondern immer nur um Momentaufnahmen für „den nächsten Sonntag“, ist inakzeptabel. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier sprach sogar von „methodischem Schrott“. Meinungsforscher Peter Hajek ortete „eklatante Mängel“. Der ORF hat für seine Tirol-Erhebung auf die Sonntagsfrage verzichtet – um nicht in falsche Gesellschaft zu geraten.

Doch die akute Empörung droht so schnell zu verstummen, wie nach jeder überraschenden Wahl. Denn es geht bei Auftraggebern und -nehmern nur um vereinzelte schwarze Schafe. Je mehr über sie geredet wird, desto eher gerät die gesamte Branche in Verruf: Deshalb nennen Medien wie Institute ihre Regelbrecher selten. Das aber ermutigt diese zum Weitertun. Dagegen würde am besten eine Brandmarkung wie nach Entscheidungen des Presserats helfen: Verstöße und Täter in den Massenmedien klar zu outen. Die Wirkung war bisher überschaubar. Das Geschäft des Boulevards leidet kaum unter dem Pranger. Doch wenn Marktforscher Ansehen einbüßen, verlieren sie Aufträge.

Ein Problem ist die Definition der Qualität: Um repräsentativ zu sein, braucht es mindestens 800 Befragte in einer Mischung aus Telefon- und Online-Erkundung, am besten im Verhältnis 2:1. So lautet eine Richtlinie des VdMI (Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute). Es gibt aber auch den VMÖ (Verband der Marktforschung). Der eine umfasst 28 Institute mit laut Eigenangabe 80 Prozent Marktanteil, der andere hat 300 Mitglieder – auch von Firmen mit klingenden Namen, die nicht beim VdMI sind. Neben den Verbänden rivalisieren die Methoden: persönlich, telefonisch, online. Alles hat Vor- und Nachteile, auch der Mix ist nicht unumstritten.

Aufgrund dieser komplexen Ausgangslage ist es unwahrscheinlich, dass der Marktforschung selbst ein besseres System der freiwilligen Selbstkontrolle gelingt. Es braucht den Druck der Auftraggeber. Medien sind nicht die wichtigsten, aber die einflussreichsten. Sie müssen die Qualitätskriterien einfordern und vermitteln. Das erhöht zwar den Umfragepreis, aber auch die eigene Glaubwürdigkeit.