Sie fristen ihr Außenseitertum gerne in der Wildnis: die Heldinnen und Helden der zeitgenössischen Dschungelbuch-Literatur. Delia Owens 2018 erschienener Debütroman "Der Gesang der Flusskrebse" mutierte weltweit zum Bestseller. Es ist eine Emanzipationsgeschichte über das Mädchen Kya, das in den 1950/60ern isoliert im Marschland North Carolinas lebt, leidet und liebt. Inmitten von Schlickgras, Sumpfmagnolien, Insekten, Reihern, Bibern und Alligatoren versucht sie neben ihrem tyrannischen Alkoholikervater zu überleben, nachdem ihre Mutter sowie die Geschwister die Flucht angetreten haben.
Irgendwann ist auch der Vater abgetaucht. Kya bleibt alleine zurück. Das "Marschmädchen" muss sich gegenüber den Widrigkeiten der Natur sowie den Vorurteilen der Menschen in der Zivilisation behaupten. Und: Als wäre das nicht schon genug für ein Erwachsenwerden, landet sie als Beschuldigte in einem Mordfall vor Gericht.

Olivia Newman hat den wilden Mix aus Abenteuer-, Liebes- und Kriminalroman atmosphärisch dicht verfilmt, als Produzentin fungierte Oscarpreisträgerin Reese Witherspoon, Popstar Taylor Swift steuerte den Song "Carolina" bei. Die Kamera zoomt zum Auftakt tief und bildgewaltig in den Sumpf der USA. Die Stimme aus dem Off spuckt dazu Lebensweisen aus: "Ein Sumpf weiß alles über den Tod und versteht ihn nicht notwendigerweise als Tragödie, sicher nicht als Sünde."
In vielen Rückblenden erzählt die Filmemacherin die Coming-of-Age-Story von Kaya (tolle Talentprobe: Daisy Edgar-Jones). Zu sehen ist, wie sie frische Muscheln sticht, wie das Dorf sie argwöhnisch beobachtet, wie sie sich zum ersten Mal unglücklich verliebt und kurze Zeit später auf den arroganten Feschak Chase hereinfällt. Blöd nur, dass dieser eines Tages, lange, nachdem sie Schluss mit ihm gemacht hatte, tot aufgefunden wird. Ohne Beweise wird Kya verhaftet, die Staatsanwaltschaft fordert die Todesstrafe.

In diesem Sumpf aber auch heimisch: Pathos, Kitsch und eine starke finale Pointe – für die man davor einige Längen und Seichtgebiete ertragen muss. All das lässt die aktuelle, vom "New Yorker" und "The Atlantic" aufgedeckte Debatte um Delia Owens und mögliche Verstrickungen in einen realen Mord in Sambia nicht in neuem Licht erscheinen. Dem Werbeeffekt des Films jedoch schadet es nicht.

Bewertung: ***