Der Kanadier und Wahl-Kölner Chilly Gonzales hat sich wieder verwandelt. Nicht äußerlich - Schlapfen, Schmalzlocke und Morgenmantel verleihen den Auftritten des 47-Jährigen seit jeher wohltuende Unverbindlichkeit. Sein Programm bleibt sprunghaft und spontan, sein Klavierspiel erlaubt ein hohes Maß an Improvisation, das er trittsicher in einem weiten Feld zwischen Klassik, Jazz, Blues und Hiphop ausbreitet. Doch auf Ausflüge ins Elektronische verzichtet Jason Charles Beck, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, derzeit.

Hatte er sich in der Grazer List-Halle anno 2013 beim Springfestival noch mit einem iPad live selbst verballhornt und damit für Erfrischung gesorgt, so trat er nun in der Staatsoper im Rahmen des Jazz Fest Wien nun stromfrei, dafür aber mit der Cellistin Stella Le Page und dem Schlagzeuger Joe Flory auf. „Viele meinen, Deutsch sei keine schöne Sprache, aber ich finde das nicht“, lässt er mittendrin einmal wissen und zählt Worte auf, die ihm gefallen, wie Schmetterling oder Schlagzeug. „It means ‘Hit-Stuff’“, belehrt er seinen Drummer. Das beschreibe die Tätigkeit der Schlagzeuger viel akkurater als in der englischen Variante.

Gonzales spielt nicht nur Klavier, er spielt vor allem damit. Wie er auch mit Sprache spielt, was nicht nur an Titelnamen wie „Baroque Obama“ sichtbar wird, sondern auch an den vielen Rap-Texten, die er immer noch mit diebischer Freude unters Volk bringt. „Ich komponiere rund um die Uhr“, gewährt er Einblicke in seine kreativen Schaffensprozesse. „Dann muss ja auch einmal etwas gutes rauskommen.“ Die meisten guten Melodien seien ohnehin simpel, erklärt der dann anhand von Bach, Cobain, Spears oder Brubeck. „Take Five“ werde in einem seltenen 5/4-Takt gespielt, doziert Gonzales, der auch am „Gonzervatory“ lehrt, und spielt die Hook dann einfach im 4/4-Takt. Dann im 3/4-Takt, einem Walzer. „Ich wette, ihr könnt euch jetzt kaum mehr auf den Stühlen halten“, feixt er vor dem Wiener Publikum. 2/4 wäre dann die Hiphop-Variante, 1/4 nur noch Electronic.

Es mag grandiosere Könner am Piano geben, wie zuletzt in einem Bericht einer anderen österreichischen Zeitung kritisiert wurde, aber das ist hier nicht der Punkt. Gonzales setzt sich hartnäckig über Konventionen und Genres hinweg, schafft neue Querverbindungen in den Köpfen seines Publikums und bringt es dabei zum Lachen.