Eine schwarze Pferdekutsche fährt vor. Schwarz gekleidete Männer und Frauen begleiten sie. Ein Mann legt eine weiße Kamelie auf den darauf befindlichen, schwarzen Sarg. Es ist Alfredo und er leidet: Mit dem Begräbnis von Violetta beginnt Giuseppe Verdis "La Traviata", die diesjährigen Neuproduktion der Arena di Verona. Dann öffnet sich der Vorhang und zeigt einen prachtvollen, zweistöckigen Palast mit mehreren Zimmern sowie links und rechts einem Logentheater. Unendlich reich sind dabei die Farben, Details sowie die prächtigen, historischen Kostüme.
Altmeister Franco Zeffirelli, wahrscheinlich einer der letzten szenischen Ästheten, zeichnet wie gewohnt für das Bühnenbild wie auch für die Regie verantwortlich. Bekanntlich ist er knapp vor der Generalprobe im Alter von 96 Jahren verstorben und so wurde diese ungemein luxuriöse Szenerie sein Vermächtnis. Im zweiten Akt dreht sich der gesamte Komplex um die Achse und gibt einen vor Gold nur so funkelnden weiteren Raum des Palastes preis, was das Publikum spontan applaudieren ließ.

Zeffirelli verstand es wie kein Zweiter, die Massen in der riesigen Arena zu bewegen und vitale Bilder, auch durch Balletteinlagen, zu erzeugen. Er vernachlässigt dabei auch nicht das emotionale Kammerspiel der Protagonisten. Aleksandra Kurzak singt die Titelrolle mit innigen Piani, aber auch perfekten Koloraturen bis in schwindelnde Höhen. Pavel Petrov, Ensemblemitglied der Grazer Oper, verfügt als Alfredo über einen schönen, für die Arena etwas kleinen Tenor. Scheinbar nahezu keine Spuren hat die Zeit in der Stimme von Leo Nucci hinterlassen, denn trotz seiner 77 Jahre brilliert der Starbariton als Giorgio Germont mit seinem immer noch enorm kraftvollen, kernigen Bariton.

Dass es an großen Gefühlen nicht mangelt, dafür sorgt auch Daniel Oren am Pult des Orchesters der Arena: Der Arena-Profi weiß mit großen Gesten viel Dramatik aber auch feinste Piani zu erzeugen. Er kann wunderbar begleiten und die Chormassen immer zusammenhalten. Großer Jubel.

"Il trovatore": Hype um die Netrebko

Anna Netrebko als Leonora in Verona.
Anna Netrebko als Leonora in Verona. © Arena di Verona

Gewaltig ist der Hype bei der Wiederaufnahme von Verdis „Il Trovatore“ aus 2001, denn dafür hat man eine der weltbesten Sängerinnen aufgeboten: Anna Netrebko. Bei ihrem Arena-Debüt singt sie die Leonora mit dem ganzen Farbspektrum, mit delikater Legatokultur ihres luxuriösen Soprans, mit Leichtheit und Präzision der Koloraturen. Wunderbar ist auch der Wechsel zwischen süßen Piani und dramatischen Attacken. Ihre Arie „D’amor sull’ ali rosee“ im letzten Akt gerät zum Ereignis.

Ihr geliebter Manrico ist auch ihr Ehemann, der deutlich erschlankte Yusif Eyvazov: Er singt die Partie mit allen Spitzentönen mühelos. Allerdings irritiert sein metallisches Timbre speziell in der Mittellage. Die berühmte Stretta „Di quella pira“ gelingt ihm ganz vortrefflich. Dolora Zajick ist eine ungemein präsente Azucena mit dramatischer Stimmgewalt. Kraftvoll erklingt der Graf Luna von Luca Salsi. Stimmgewaltig singt auch der Chor seine beliebten Nummern.
Mit diesem ist Pier Giorgio Morandi am Pult des Orchesters nicht immer eines Sinnes. Bei seinem Dirigat fehlt es an mitreißender Lebendigkeit. Er sieht sich in erster Linie als Begleiter der Diva und erlaubt ihr viele agogische Freiheiten.
Auch hier findet man nochmals die große ästhetische Bildmächtigkeit in den beeindruckenden Kulissen von drei metallischen Türmen einer Burg und den prächtigen Kostümen von Franco Zeffirelli.
Riesenjubel!

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