Nach "Die Omama im Apfelbaum" (2007) und "Das Städtchen Drumherum" (2013) ist auch Naskes dritte Kinderoper an der Wiener Staatsoper ein Auftragswerk. "Es ist das erste Mal, dass es für die Geschichte keine Buchvorlage gibt", sagt die Komponistin, die bisher u.a. Bücher von Mira Lobe, Christine Nöstlinger und Michael Ende auf die Opernbühne gebracht hat. "Bei Klassikern ist es mittlerweile ganz schwierig geworden mit den Rechten. Von Ottfried Preußler oder Astrid Lindgren hätte ich etwa gerne etwas gemacht. Das war aber nicht möglich."

Naske schwärmt im Gespräch mit der APA über den "Idealfall einer Zusammenarbeit" mit der österreichischen Librettistin, Regisseurin und Choreografin Ela Baumann. "Die Geschichte hat sie erfunden. Ich hatte mir bestimmte Dinge gewünscht, etwa dass die Geschichte keinen realistischen, sondern einen fantastischen Hintergrund hat. Die politische Message kam dann von ihr - aber ich stehe natürlich auch dazu, denn ich wollte schon etwas erzählen, was wichtig ist, und nicht einfach so herumblödeln."

Was ist also wirklich los bei den Enakos? Die sind alle gleich und damit eigentlich recht zufrieden. Erst eine Reihe von Sabotageakten lässt sie erkennen, dass sie gar nicht gleich sind, sondern bloß gleichgeschaltet wurden. Schuld ist ein falsch interpretierter Orakelspruch, der eigentlich nicht die allgemeine Gleichheit, sondern das gleiche Recht auf Glück als oberste Maxime propagierte. Das Regime des bösen Oberenako, der mit Hilfe von Angst und Feindbildern Ruhe und Ordnung aufrechterhält, kommt einem aus der Menschheitsgeschichte sehr bekannt vor. "Die Enakos (die ihren Namen dem slowenischen Wort für "gleich" verdanken, Anm.) sind aber keine Menschen, sie sind ganz naive Wesen, klein und kugelrund", schmunzelt Naske.

Ihre Naivität drückt sich auch in der Musik aus, bei der das - bei der Premiere von Rick Stengards geleitete - Bühnenorchester der Wiener Staatsoper an Xylofon und Marimba ordentlich zu tun bekommt. Die Wiederentdeckung der Individualität drückt sich natürlich auch musikalisch aus. Der Kontrollfreak Oberenako bekommt immer dissonantere Musik, je mehr er sich aufregt, der König wird mit Hörnern charakterisiert, der als Feindbild imaginierte Anderling erhält ein glitzerndes Celesta-Cluster.

Naske ist ausgebildete Cellistin und spielte u.a. im Gustav Mahler Jugendorchester und in der Camerata Academica Salzburg. Nach mehrjährigem Kompositionsunterricht bei Tristan Schulze startete sie 2001 ihre zweite Karriere als Komponistin. "Alles hat begonnen mit dem 'Kleinen Ich-bin-Ich'. Das stand ganz am Anfang meine kompositorischen Versuche und wurde ein erstaunlicher Erfolg. Dann kamen weitere Aufträge - alle für Kinderopern. Das hat sich so ergeben. Und ich schreibe Oper eben nur auf Auftrag." Heute gilt sie als ausgewiesene Spezialistin des Musiktheaters für Kinder und Jugendliche. "Man wird mit Kinderopern oft belächelt, als Komponistin zweiter Wahl gesehen. Ich sehe mich aber nicht so. Es geht mir nicht um die Frage des jungen oder alten Publikums, sondern um die Geschichte, die ich damit erzähle."

"Ich wünsche mir keinen Stoff, sondern er begegnet mir. Ich will nichts Banales! Für mich muss ein guter Stoff drei Parameter erfüllen: eine gute Geschichte, gut erzählt, in einer guten Sprache. Das ist nicht leicht." Die Zusammenarbeit mit Ela Baumann geht jedenfalls weiter. Mit ihr hat sie im Auftrag des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich eine sich formal an "Peter und der Wolf" orientierende Erzählung für Symphonieorchester und Sprecher geschrieben: "Sommerfreunde" wird am 27. März uraufgeführt und wandert danach durch Schulen. "In 'Sommerfreunde' geht es um Abschiebung. Das ist schon ein Statement. Und die Geschichte geht auch nicht gut aus." Gut ausgegangen ist bisher dagegen eine andere Geschichte: Vor drei Jahren nahmen die Naskes eine afghanische Familie auf. Die Familie habe Asyl erhalten, die beiden Kinder sprechen perfekt Deutsch, ein drittes sei unterwegs, erzählt die Komponistin.

Gemeinsam mit Baumann arbeitet Naske auch an einem Kinderopern-Auftrag der Salzburger Festspiele für 2020. Was nach Erfolgslauf klingt, hat freilich auch seine Schattenseiten: "Daran, in der Freien Szene ein Projekt unterzubringen, beiße ich mir die Zähne aus. In Luxemburg, wo ich lange gelebt habe, war das ganz leicht. Aber hier bekomme ich keine Förderungen. Ob es daran liegt, dass ich zu wenig Avantgarde bin, 'nur' Kinderprojekte mache oder ohnedies Aufträge von den Großen bekomme, weiß ich nicht."

Deswegen ist sie auch keineswegs wunschlos, was die Zukunft angeht. Optimale Arbeitsbedingungen wären etwa nicht schlecht: "Ich wünsche mir ein Musiktheaterhaus für Kinder. Das Kinderopern-Zelt war schwierig. Auch in der Walfischgasse ist es schwierig. Das ist nicht für Musiktheater gebaut. Das Orchester sitzt hinter dem Publikum." Auch adäquate Bezahlung vermisst sie. An einer großen, für mehrere Altersstufen gedachten Familienoper schreibt Naske an die zwei Jahre, an einer einstündigen Kinderoper rund ein Jahr. Welchen Stundenlohn das bedeute, will sie gar nicht wissen. Sie ist sich jedoch sicher: "Als Layouterin könnte ich mehr verdienen denn als Komponistin."