Gestörte und Verstörte, viel Blut und viel Gewalt: Die Dekadenz am Hof des Tetrarchen von Judäa erscheint auf der Grazer Opernbühne im modernen Gewand. Das mit viel Sex und Missbrauch angereicherte Geschehen im Designer-Ambiente ist zeitwielig arg klischeehaft, aber Florentina Kleppers Inszenierung, die viel mit Videoprojektionen arbeitet, hält auch einige spannende, psychologisierende Momente parat. Ihre Arbeit stellt sich ja in eine stolze Grazer Salome-Tradition. Die letzte Produktion der biblischen Sex-and-Crime-Oper besorgte Regisseur Martin Kusej, und die allererste Grazer Aufführung der "Salome" dirigierte ja der Komponist höchstselbst und ist in die Musikgeschichte eingegangen.

Dass der Abend spannend ist, ist vor allem den Sängern zu verdanken, allen voran die Rollendebütantin Johanni von Oostrum, der ihre erste Salome-Interpretation stimmlich und darstellerisch vielschichtig gelingt. Manuel von Senden ist ein vorzüglicher, wortdeutlicher Herodes, während Thomas Gazheli den Jochanaan zu grob anlegt.

Die Grazer Philharmoniker brauchen ein wenig Anlauf, um warm zu werden, aber Chefdirigentin Oksana Lyniv entlockt dem Orchester einige großartige Passagen, behält meist den Überblick und zeichnet so manch beeindruckend schönen Bogen.