Die Tiroler Festspiele Erl kommen nicht zur Ruhe: Nun schirtten  sieben Künstler bzw. Angestellte der Festspiele auf die Bühne des Festspielhauses und hielten eine Pressekonferenz ab, in der sie gegen die Beurlaubung Gustav Kuhns als Dirigent protestierten. Die Absetzung komme einer Vorverurteilung gleich. Auch der interimistische künstlerische Leiter Andreas Leisner stimmte mit ein.

Die Absetzung Kuhns durch die Stiftungsräte der Tiroler Festspiele Erl Gemeinnützigen Privatstiftung von Ende September widerspreche der Rechtsstaatlichkeit, meinte etwa Tenor Ferdinand von Bothmer. Es gelte solange die Unschuldsvermutung bis eine gerichtliche Entscheidung vorliege und die eingesetzte Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt eine Empfehlung ausgesprochen habe. Man wünsche sich jedenfalls, dass die Absetzung rückgängig gemacht werde. Von Bothmer gab an, dass er und seine Kollegen im Namen der rund 200 Mitarbeiter der Festspiele sprechen würden. Nicht wenige davon waren übrigens während der Pressekonferenz im weiten Rund des Festspielhauses platziert. Der Tenor betonte überdies, dass man "aus freien Stücken" diese Pressekonferenz abhalte und die Festspielleitung zuvor um die Möglichkeit dazu gebeten habe.

Auch Nachfolger spricht von "Vorverurteilung"

Kuhn werden sexuelle Übergriffe auf Künstlerinnen vorgeworfen. Diese hatten sich in einem "Offenen Brief" zu Wort gemeldet. Ende Juli stellte er schließlich nach anhaltendem Druck seine Funktion als künstlerischer Leiter ruhend, am 21. September folgte die Bekanntgabe der Beurlaubung als Dirigent.

Auch Leisner, der großteils den Künstlern auf der Bühne das Feld überließ, sparte auf Nachfrage nicht mit scharfer Kritik am Stiftungsvorstand, dem neben Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner auch Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) und Jürgen Meindl, Leiter der Kunst- und Kultursektion im Bundeskanzleramt, angehören. Es handle sich zwar um seine Vorgesetzten, aber er wolle doch "persönlich" erklären: "Die Absetzung als Dirigent ist in der momentanen schwammigen Lage vollkommen verfrüht und ein falsches Signal." Auch Leisner sprach von "Vorverurteilung".

"Ohne Kuhn keine Festspiele"

"Maestro" Kuhn wurde indes von den Künstlern in den höchsten Tönen gelobt und als quasi unverzichtbar für die Festspiele bezeichnet. "Ohne ihn können die Festspiele in ihrem künstlerischen Konzept nicht weiter existieren", sagte Von Bothmer. Alle betonten unisono, nie etwas von sexuellen Übergriffen oder Einschüchterung mitbekommen zu haben und sparten nicht mit Kritik an den Medien. "Wir sind entsetzt über die Darstellung des Hauses in der Öffentlichkeit. Diese Festspiele tragen die Handschrift von Gustav Kuhn", erklärte Solo-Klarinettistin Karin Mischl. Es herrsche manchmal ein "rauer Ton" während der Proben, aber dies diene der Sache und sei "menschlich". "Der Maestro isst auch vom selben Buffet wie die Mitarbeiter", attestierte sie Kuhn Volksnähe. Zu keiner Zeit habe sie sexuelle Dienste leisten müssen. Die Anschuldigungen der anderen Künstlerinnen könne sie nicht glauben und sich nur sehr schwer vorstellen, so Mischl.

"Wir sind professionelle Musiker, aber man stellt uns als willenlose und nicht ausgebildete Sklaven eines Systems hin", empörte sich Chorsängerin und Solistin Viktoryia Liashkevich. Auch sie habe nie ein "unangemessenes Verhalten" seitens Gustav Kuhns erlebt. "Ohne Kuhn verlieren die Festspiele ihre Magie. Lasst ihn in Ruhe. Gebt uns den Maestro zurück", appellierte Chor-Mitglied Dzmitry Klachko.

Scharf angegriffen wurde die Künstler-Plattform "Art but fair". Diese hätte Künstler unter Druck gesetzt, um gegen Kuhn auszusagen, so Tenor Bothmer. Leisner ortete wiederum "Anzeichen für politischen Druck" im Stiftungsvorstand. Und er teilte kräftig gegen Medien aus, die er verdächtigte, Geld für Aussagen gegen Kuhn geboten zu haben. Deshalb wolle er sich nun auch an die Staatsanwaltschaft wenden. Konkret habe ihm der frühere Chefbühnenbildner Jan Hax Halama bereits im Februar von einem solchen Angebot berichtet, so Leisner. Halama ist einer jener ehemaliger Mitarbeiter der Festspiele, die im aktuellen "profil" abermals von "übergriffigem Verhalten in vielerlei Hinsicht und struktureller Gewalt gegenüber Frauen und Männern" durch Kuhn berichten.