Sie sagt noch heute über ihn: „Er war der Herrlichste“. Er sagte seinerzeit über sie: „She’s simply the best“.

Ja, Christa Ludwig und Leonard Bernstein, das war immer ein Gipfeltreffen. Aber die herausragende Mezzosopranistin hatte noch zwei andere Dirigenten, mit denen sie zu Höchstleistungen fand und zeit ihres Künstlerlebens tief verwurzelt war. Also taufte sie drei Pinien auf ihrem früheren Anwesen an der Côte d’Azur nicht zufällig Bernstein, Karajan und Böhm.

Karl Böhm hatte sie 1955 an die Wiener Staatsoper geholt, wo sie fast 40 Jahre Mitglied des Ensembles blieb und dem Haus in 42 verschiedenen Partien Sternstunden schenkte. „Als ich dort meinen letzten Schrei tat, schneite es draußen“, erzählte die Sängerin einmal der „Zeit“. Was ihr sehr zupasskam, „denn ich wollte mich endlich einmal in Ruhe erkälten. So lange musste ich aufpassen auf diese blöden Stimmbänder!“
Das war im Dezember 1994. Ganz konnte es die Leidenschaftlerin mit den 1000 Promille Musik im Blut freilich nicht lassen, und so gab sie fortan gefragte Meisterkurse und steckt bis dato immer noch junge Menschen mit dem Virus Gesang an – wie heute in Graz bei der „Accademia Belcanto“.

Das hat die gebürtige Berlinerin von daheim: Die Tochter einer Altistin und Gesangslehrerin sowie eines Sängers und Opernintendanten hatte die Musik mit der Mutter- und Vatermilch aufgesogen. 1946 trat sie vor US-Besatzungssoldaten auf und erhielt ein paar Zigaretten als Gage, aber noch im selben Jahr, mit 18, debütierte das Ausnahmetalent an der Oper Frankfurt – der Katapultstart in eine unnachahmliche Karriere.

So lang kann die Elle gar nicht sein, dass ihre Erfolge draufpassen: Ludwig teilte sie etwa mit Maria Callas und Elisabeth Schwarzkopf, mit Fritz Wunderlich und Luciano Pavarotti. Die Wiener oder die Berliner Philharmoniker trugen sie auf Händen. Und mit markantem Timbre und darstellerischer Klasse gab sie der wilden Kundry genauso Kontur wie dem frechen Prinz Orlofsky oder der weisen Marschallin.

„Musik ist Erotik. Die erotischen Schwingungen zwischen Sänger und Dirigent, Sänger und Sängerin auf der Bühne – platonischer Art – sind unheimlich: Die Schwingungen sind ausgeströmt von der Musik“, weiß Ludwig. Mit dieser Erotik betörte sie im Londoner Covent Garden, in der Mailänder Scala, in Bayreuth, in Salzburg...

Ja, sie war in aller Welt begehrt. Sie begehrte die Welt. Und kehrte doch immer wieder gern heim – nach Klosterneuburg nämlich, wo sie seit den 60ern wohnt. Ludwig war zunächst mit Bassbariton Walter Berry verheiratet, aus der Ehe ging Sohn Wolfgang hervor, der im Rock- und Popgenre reüssierte. Ab 1972 bis zu dessen Tod 2011 war Paul-Émile Deiber ihr Mann; den Theaterschauspieler, der sich auch als Regisseur der Comédie-Française einen Namen machte, hatte sie an der New Yorker Met kennengelernt, wo er Jules Massenets „Werther“ inszenierte und sie in Französisch schulte.

In dem Buch, das zu ihrem 90er in diesem März erschien, verrät Christa Ludwig ihre „Erinnerungen an die Zukunft“. Darin erzählt die Wunderbare etwa, dass sie sich noch immer auf dem Weg fühle und es noch vieles kennenzulernen und zu erkennen gebe. Und sie zitiert dabei – quasi als ihr Lebensmotto – ein Gedicht von Hilde Domin:
Nicht müde werden,/
sondern dem Wunder/
leise wie einem Vogel/
die Hand hinhalten.