„Die Zauberflöte“ stand bereits 39 Mal auf dem Spielplan der Salzburger Festspiele, zuletzt 2012 in der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog mit Nikolaus Harnoncourt am Pult. Aber so turbulent gezeigt wurde  Mozarts Singspiel wohl noch nie wie beim Salzburger Regiedebüt von Lydia Steier

Denn die 40-jährigen Wahlberlinerin aus Connecticut, deren jüdische Großeltern 1938 aus Wien in die USA geflüchtet waren, wählte für die Deutung des Zweiakters aus Mozarts Todesjahr 1791 einen Kniff: Um die langen Zwischendialoge zu umgehen, setzt sie die „Zauberflöte“ in eine Rahmenhandlung, die 1913 spielt. Ein Großvater einer Wiener Bürgerfamilie erzählt seinen Enkeln (den drei Knaben) die Handlung der Oper als Gute-Nacht-Geschichte.

Christiane Karg (Pamina)
Christiane Karg (Pamina) © ORF

Klaus Maria Brandauer hatte die Rolle des Erzählers vom erkrankten Bruno Ganz übernommen. Mit seinen eindringlichen Märchen für die Buben (hervorragende Sängerknaben) geht eine Traumwelt auf, genauer: zumeist eine Zirkuswelt. Da fliegen Keulen, schweben Körper, hampeln Clowns, staksen Stelzengeher, grimassieren Riesenmasken, tanzen Bären ... Und in diese Arena setzt Steier die Geschichte rund um den jungen Prinzen Tamino, der sich auf die Suche nach der entführten Königstochter Pamina macht. Ihre Sicht auf Mozarts hybrides Werk ist durchdacht und lebendig, aber zunächst etwas harmlos. Erst im zweiten Akt folgt mehr Tiefgang: Arbeiteraufstand, der Mensch im Laufrad der Maschinenwelt, der heranstampfende Moloch Krieg. Etwas zu viel gewollt vielleicht, aber große Lebensprüfungen gab es schon immer, nicht nur für Tamino: „Der, welcher wandert diese Straßen voll Beschwerden...“

Maria Nazarova (Papagena) und Adam Plachetka (Papageno)
Maria Nazarova (Papagena) und Adam Plachetka (Papageno) © ORF

In dieser kaleidoskopischen Deutung von Zauberpossen, Aufklärungsgedanken, Freimaureridealen und Love Story machen die wandelbaren, oft fast filmstillartigen Bühnenbilder von Katharina Schlipf im Großen Festspielhaus Staunen, und auf den von Ursula Kudrna fantasiereich gestalteten Kostümen funkeln Tausende von Swarovski-Kristallen.

Glanz auch und unter den Solisten und im Graben, wenn auch nicht durchgehender: Nicht so souverän wie gewohnt Matthias Goerne als Sarastro/Zirkusdirektor; ihm liegt die Partie einfach zu tief. Albina Shagimuratova ist wie schon 2008 eine stratosphärische Königin der Nacht, allerdings diesmal mit Widderhörnern als Krone. Fein besetzt auch die Papagena mit Maria Nazarova und Papageno mit Adam Plachetka, der aber noch spielfreudiger sein könnte. Mauro Peter taut als Tamino/Gardeoffizier erst langsam auf. Christiane Karg hingegen ist mit ihrem hellen Sopran eine quicklebendige Pamina/Harlekina. Umgeben von einem sehr guten Ensemble, kann das Paar nach einigen Ängsten, Reifeprüfungen und labyrinthischen Widerständen mit allen den Sieg der Liebe feiern, der auch an  der hereingeschobenen Armada an Kinderwägen für die vielen kleinen Papapapapapagenos und Papapapapapagenas abzulesen ist.

llse Eerens, Paula Murrihy, Geneviève King (die drei Damen) mit Albina Shagimuratova (Die Königin der Nacht)
llse Eerens, Paula Murrihy, Geneviève King (die drei Damen) mit Albina Shagimuratova (Die Königin der Nacht) © ORF

Constantinos Carydis dirigierte erstmals eine Festspiel-Oper: mit weit ausholenden Gesten frisch, feurig und scharf akzentuierend, aber auch sinnlich. Die gut aufgelegten Wiener Philharmoniker, durch das zuweilen Temporauschige des 44-jährigen Griechen (schon in der Ouvertüre) da und dort an ihre Grenzen gebracht, sowie der präsente Wiener Staatsopernchor trugen das Ihre zu einer farbreichen Interpretation bei. Riesenapplaus bei der Premiere für diese schillernde „Zirkuszauberflöte“, dazwischen ein paar Buhs für die Regie.