Warum ist sie nicht schon längst ein noch viel größerer Star? Berechtigte Frage. An den Film- und Serienrollen, die Carey Mulligan seit nunmehr 15 Jahren eindringlich sowie mit Charme und einer an Audrey Hepburn erinnernden Authentizität bekleidet, liegt es nicht. Die 35-jährige Britin ist eine der gefragtesten Miminnen ihrer Generation. Ihr Spezialgebiet waren lange Zeit junge, intelligente und dabei scheue Frauenfiguren mit emanzipatorischer Kraft – nicht selten in der Historie angesiedelt. Die Darstellung einer 16-Jährigen in „An Education“, die die Schule sausen lässt und sich einem Lebemann hingibt, bescherte ihr 2010 je eine Golden-Globe- und Oscar-Nominierung.

Es folgte eine kluge Auswahl interessanter Filme an der Seite der besten ihrer Zunft. Wie etwa in Mark Romeks Sci-Fi-Romanze „Never Let Me Go“ neben Keira Knightley und Andrew Garfield ein Jahr später. In „Inside Llewyn Davis“ der Coen-Brüder brilliert sie in einer Nebenrolle nicht nur mit ihrer stachelnd melancholischen, sondern auch mit ihrer stimmstarken Seite.

Mit jedem Film offenbart sie neue Facetten. Sie bespielte das große, opulente Kino wie in „Der große Gatsby“,„Wall Street: Geld schläft nicht“ oder „Suffragette – Taten statt Worte“, aber es sind die kleinen, intimen Filmperlen, in denen sie auftrumpft. Nebst „Driver“ mit Ryan Gosling zählt das hierzulande kaum beachtete 60er-Drama „Wildlife“ , in dem sie eine betrogene Hausfrau darstellt, zu ihren intensivsten Performances.


Auch 2021 läuft gut an für die Britin. In der leisen, sonnendurchfluteten Literaturverfilmung „Die Ausgrabung“ ist die Schauspielerin aktuell auf Netflix als sterbenskranke Witwe an der Seite von Ralph Fiennes zu sehen. In bewährter Manier gibt sie eine zerbrechliche Person, deren Kampfeslust mit Dauer des Films wächst.

Die aufsehenerregendste Rolle ihrer Leinwand-Biografie verkörpert Carey Mulligan in „Promising Young Woman“. Der knallige, von der Kritik bejubelte #MeToo-Film von Emerald Fennell feierte vor einem Jahr beim Sundance-Filmfestival seine Weltpremiere und mutierte zum viel beachteten Liebling von Kritik und Publikum. In der bitterbösen Rape-&-Revenge-Geschichte dreht sie als Racheengel den Spieß um und schleppt Männer ab. Mehr sei nicht verraten.

„Ihre Performance mache es unmöglich, den Blick abzuwenden, neugierig darauf, zu wissen, was sie als Nächstes tun wird. Ihr dabei zuzusehen, wie Cassie über diese abscheulichen Männer Macht erlangt, sei ein schwindelerregender Nervenkitzel“, hieß es u. a. in einer Kritik des „Guardian“. Demnächst ist ihre viszerale Virtuosität in Bradley Coopers „Maestro“ zu erleben – in dem Film über Leonard Bernstein spielt sie dessen Ehefrau Felicia Montealegre.