Die Berlinale bleibt auch unter der neuen Leitung von Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrianihrem Ruf als politischstes unter den großen Filmfestivals treu: Mohammad Rasoulofs Film "There is No Evil/Es gibt nichts Böses" gewinnt den Goldenen Bären für den besten Film des Festivals.

Der Film war erst im Finale des Festivals zu sehen. In vier voneinander unabhängigen Episoden erzählt Rasoulof darin von einer Gesellschaft, in der Todesstrafe zum Alltag gehört und vom tiefen menschlichen Leid, das Exekution verursacht. Nicht nur bei den Angehörigen der Opfer, sondern auch bei den Exekutoren, oftmals wehrpflichtigen Soldaten. Der Iran gehört zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit. "Es gibt nichts Böses"  lässt sich als klares Statement gegen die Todesstrafe lesen.

Der Regisseur selbst konnte seinem Triumph nicht beiwohnen: Rasoulof habe ein zweijähriges Arbeitsverbot und dürfe den Iran nicht verlassen, teilten seine Produzenten mit. Das Team des Regisseur dankte in seinem Namen der Jury für die bejubelte Entscheidung. "Cast und Crew haben für diesen Film ihre Leben aufs Spiel gesetzt", stellte ein Produzent fest - und richtete eine flammenden Appell an die Welt: "Niemand sollte für seine künstlerischen Überzeugungen im Gefängnis sitzen müssen!"

Im Namen Rasoulofs wandte sich sein Team auch an die Weltöffentlichkeit mit der Bitte, die iranische Bevölkerung nicht als Feind zu betrachten: "Wir sind freundlich, liebenswürdig, friedlich. Wir lieben alle Menschen, alle Völkern, bitte versucht das zu erkennen!"

Es ist der dritte Goldene Bär für einen Regisseur aus dem Iran: 2011 gewann "Nader und Simin – Eine Trennung" von Asghar Farhadi, 2015 "Taxi Teheran" von Jafar Panahi. "Es gibt kein Böses" ist eine deutsch-tschechisch-iranische Koproduktion.

Die deutsche Schauspielerin Paula Beer wurde als beste Darstellerin geehrt - sie bekam den Silbernen Bären für ihre Rolle in Christian Petzolds Liebesfilm "Undine". "Vielen, vielen Dank", sagte Beer. Sie freue sich wahnsinnig. Man könne aber nur so gut sein wie sein Gegenüber - ihr Kollege Franz Rogowski sei der "wunderbarste Spielmann", den man sich wünschen könne. In Petzolds Film spielen die beiden ein Liebespaar. Bester Darsteller wurde der Italiener Elio Germano, der im Künstlerdrama "Hidden Away" ("Volevo nascondermi") von Giorgio Diritti den Maler Antonio Ligabue spielt, der lange aus Ausgestoßener lebte. Der Große Preis der Jury ging an das Coming-of-Age-Drama "Never Rarely Sometimes Always": US-Regisseurin Eliza Hittman erzählt darin von einer 17-Jährigen, die ungewollt schwanger ist.

Der Südkoreaner Hong Sangsoo gewann den Silbernen Bär für die beste Regie: In seinem Film "Die Frau, die rannte" unternimmt eine Frau erstmals wieder etwas ohne ihren Mann. Die italienischen Brüder Fabio und Damiano D"Innocenzo erhielten den Silbernen Bären für das Drehbuch zum Drama "Bad Tales" ("Favolacce"). Ausgezeichnet wurde auch der deutsche Kameramann Jürgen Jürges, der schon mit Größen wie Wim Wenders und Rainer Werner Fassbinder drehte. Er erhielt nun den Silbernen Bären für eine "herausragende künstlerische Leistung" für seine Arbeit an "DAU. Natasha". Der Experimentalfilm ist Teil eines groß angelegten Kunstprojekts.

Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten Filmfestivals der Welt. In diesem Jahr konkurrierten 18 Beiträge im Wettbewerb. Ein Sonderpreis zur 70. Berlinale ging an die französische Komödie "Delete History" ("Effacer l"historique"). Nicht mehr vergeben wurde dafür der Alfred-Bauer-Preis. Hintergrund sind Recherchen zur Vergangenheit des ersten Festivalleiters Alfred Bauer, der nach einem Bericht der "Zeit" ein "hochrangiger Funktionär der NS-Filmbürokratie" gewesen sein soll.