Frau Derflinger, zehn Jahre nach ihrem Tod, kommt nun der Dokumentarfilm „Die Dohnal“ über Österreichs erste Frauenministerin Johanna Dohnal in die Kinos. Warum ausgerechnet jetzt?
SABINE DERFLINGER: Dass der Film jetzt fertig geworden ist, ist eine glückliche Fügung, weil wir ihn jetzt gut brauchen können. Im Moment findet Frauenpolitik ja nur im Kino statt und sonst nirgends. Entstanden ist er, weil ich vom Johanna Dohnal Archiv angefragt worden bin. Da ich aber einen politischen und unabhängigen Film machen wollte, habe ich mir gedacht, dass wir das über eine Kinoförderung machen sollten und das ist dann auch tatsächlich gelungen. Es sind alle möglichen Institutionen mitgegangen: von der oberösterreichischen türkis-blauen Landesregierung bis zum ORF und so konnten wir den Film völlig unabhängig produzieren.

Man ist fast ein bisschen erstaunt, dass es so einen Film noch nicht gegeben hat.
Ja, stimmt.

Wie und wo haben Sie mit Ihrem Film begonnen? Was war Ihr Zugang?
Zuerst wollte ich einmal alles lesen, was man über sie finden kann. Und viele, viele Menschen treffen. Viele von denen, mit denen ich gesprochen habe, kommen im Film dann gar nicht vor – damit man einfach durch diese vielen Menschen und ihren Blickwinkeln sicherer im eigenen Blick wird. Mir war auch bald klar, dass ich einen Film über Johanna Dohnal als politischen Menschen arbeiten will und dass ich dazu auch Archivmaterial verwenden möchte. Und: Bald war klar, dass ich diesen dramaturgischen Konflikt des Abgesägtwerdens als Linie durch den Film ziehen will.

Was hat Sie als Filmemacherin an der Arbeit mit Archivmaterial gereizt?
Erstens gibt es sehr viel gutes Material. Und zweitens kann man dadurch vielleicht auch ein anderes Bild generieren. Und: Man kann sehen, wie jemand lustig, eloquent, freundlich und argumentativ tolle Arbeit macht. Mir war es wichtig, einen Film über eine Politikerin zu machen – und zwar in ihrem Wirken bis heute. Deswegen gibt es dann auch die Interviews und Gespräche bis heute.

Sie haben es miterlebt: die ersten Staatssekretärinnen in einer Regierung und dann die erste Frauenministerin. Wie haben Sie das empfunden?
Zunächst einmal kann ich mich erinnern, dass sie eine wichtige Person war und auch im Fernsehen gesprochen hat, was damals noch nicht gang und gäbe war. Ich komme ja vom Land und das Fernsehen war damals für mich das Fenster zur Provinz. Ich habe mir alles angeschaut, was ich konnte, also auch sie. Und ich habe schon auch diese Spaltung mitbekommen – die einen fanden sie toll, die anderen fürchterlich. Aber über das, was sie gesagt hat, hat man überhaupt erst einmal eine Idee bekommen, was Feminismus eigentlich ist. Ich kannte das Wort damals selber nicht – was heute blöd klingt. Aber damals hat meine Mutter meinen Vater noch fragen müssen, ob sie arbeiten gehen darf. Und als ich in den 1980ern ein Kind bekommen habe, war ich auch nicht Vormund meines Kindes, weil ich nicht verheiratet war. Wir sind mit dieser Ungleichheit aufgewachsen.

Über manche Dinge – wie Quoten – wird noch immer gerede. Und manche – wie die Fristenlösung – wird wieder geredet.
Dass wir wieder über den Schwangerschaftsabbruch reden, ist eigentlich eine Katastrophe. Es geht halt jetzt noch einmal darum, dass Gleichberechtigung endlich passiert. Schlussendlich wird das Patriarchat sterben, so oder so. Und wenn ein System so wahnsinnig lange mächtig ist, ist auch klar, dass es nicht gleich und freiwillig stirbt. Ich persönlich teile da die Meinung von Johanna Dohnal, dass es keine friedvolle Gesellschaft auf der Erde geben wird, solange es zwischen den Geschlechtern keine Gleichberechtigung gibt.