Frau Pachner, Sie kommen, ebenso wie Franz Jägerstätter, aus Oberösterreich. Wie haben Sie den Ort Ihrer Kindheit in Erinnerung?
VALERIE PACHNER: Ich bin aus Bad Schallerbach. Das ist ein Kurort, und ich denke, das bezeichnet schon vieles. Es gibt viele Reha-Zentren, viele Kurgäste und es hat diese Mischung aus Verschlafenheit, Krankenrefugium und Tourismus.
Wann haben Sie erstmals von Franz Jägerstätter gehört?
Ich weiß es nicht. Ich wusste nur so ungefähr über ihn Bescheid, erst durch die Arbeit an dem Film habe ich die Umstände im Detail kennengelernt.

Und von seiner Frau Franziska?
VALERIE PACHNER: Über sie wusste ich genau so viel oder wenig. Es ist nicht nur seine, sondern auch ihre Geschichte. Sie hat die Entscheidungen mitgetragen und seine Haltung gegenüber dem Nazi-Regime geteilt. Eine Szene verdeutlicht das im Film besonders: nämlich jene im Gefängnis, wo man sieht, wie irrsinnig stark sie und ihre Liebe sind.

Gibt es über sie auch Literatur?
VALERIE PACHNER: Natürlich weniger als über ihn. Das Wichtigste für diesen Film waren die Briefe selbst, die sind sehr berührend. Das war auch das Erste, was uns Terrence Malick geschickt hat. Und die Doku „Die Witwe des Helden“, wo sie 96-jährig noch ein Interview gegeben hat, war wichtig. Ich dachte, ich würde eine gebrochene Frau sehen. Ich sah zwar eine alte, gebrechliche, aber keine gebrochene, sondern eine strahlende Frau. Das war ein wichtiger Aspekt in der Vorbereitung: dass sie nie den Glauben an das Gute verliert, sondern am Guten festhält.

Im Film sieht man, wie hart die Arbeit am Feld war. Hat dieser körperliche Aspekt für Sie eine Rolle in der Annäherung gespielt?
VALERIE PACHNER: Wenn es eine Figur ist, die tatsächlich gelebt hat, fühle ich mich immer ein bisschen verantwortlich. Dann gilt es, möglichst viel über sie, über die Zeit und das Umfeld zu erfahren. In diesem Fall war die körperliche Arbeit tatsächlich sehr wichtig, diese hat automatisch eine Geerdetheit mit sich gebracht.

Müssen Sie sich mit einer Figur identifizieren können?
VALERIE PACHNER: Ich muss das nicht erlebt haben, was sie erlebt hat, aber ich muss sie verstehen. Und mit der Franziska Jägerstätter konnte ich mich gut identifizieren.

Warum?
VALERIE PACHNER: Ich kann nicht leugnen, dass meine Herkunft da mit hineingespielt hat. Mir war das Umfeld nicht fremd. Das musste ich mir nicht groß herleiten. Meine Großeltern waren Bauern. So herausgefordert, wie sie war, war ich Gott sei Dank noch nie. Dadurch war es mir umso wichtiger, dem gerecht zu werden. Das war mein Antrieb. Geholfen hat auch, dass wir dieses landwirtschaftliche Leben beim Dreh gelebt haben. Es war so, als würde man das Leben haben – ihr Leben.



War es schwierig für Sie, auf Englisch zu drehen?
VALERIE PACHNER: Das war schnell egal, die Grenze zwischen den Sprachen ist bald zerflossen. Es war wichtiger, was gesagt wird.

Terrence Malick führte bei Filmen wie „Knight of Cups“ oder „Tree of Life“ Regie. Wie erlebten Sie die Zusammenarbeit mit ihm?
VALERIE PACHNER: Sehr toll. Die Arbeit mit ihm zeichnet sich durch eine große Freiheit aus. Zwei Dinge waren besonders: dass man erstens als Schauspielerin einen Raum zur Verfügung gestellt bekommt, um zu improvisieren und sich auszuprobieren. Und zweitens herrschte eine unglaubliche Stimmung am Set, wo jeder sein Ego ein bisserl zu Hause gelassen hat, um sich auf das große Ganze zu konzentrieren – die Geschichte. Es gab eine Woche, in der ich jeden Tag in eine Szene geworfen worden bin – nämlich jene, in der ich erfahre, dass mein Mann zu Tode verurteilt worden ist. Immer wieder. Ich habe gedacht, ich habe keine einzige Träne mehr in mir. Ich fühlte mich wie ausgewrungen.

Erzählt uns der Film auch etwas über das Heute?
VALERIE PACHNER: Wir haben den Film vor drei Jahren gedreht und es ist erschreckend, wie rechtsextreme Tendenzen seit damals in vielen Teilen der Welt zugenommen haben. Es ist unfassbar, wie man sich als Gesellschaft überhaupt noch einmal in diese Richtung lehnen kann. Wenn man weiß, dass die Töchter noch mit dem Leid leben, ihren Vater an dieses Regime verloren zu haben, und zu sehen, was los ist, fühlt sich das an, als würde ihnen ins Gesicht gespuckt werden.

Szene aus dem Film: August Diehl mit Tobias Moretti
Szene aus dem Film: August Diehl mit Tobias Moretti © (c) Reiner Bajo (Reiner Bajo)



Wie haben die Töchter auf den Film reagiert?
VALERIE PACHNER: Wir haben ihnen den Film gezeigt, gemeinsam. Und das hat das Erleben dieses Projekts noch einmal vertieft. Die Geschichte dieser Eltern regt an, das, was einem im Leben wichtig ist, zu leben. Und nicht so dahinzuwursteln.

Ändert sich durch diesen Film gerade viel in Ihrem Leben?
VALERIE PACHNER: Es wäre falsch, wenn ich behaupten würde, es wäre nicht so. Dieser Film, diese Begegnung, das hatte unabhängig von der Karriereebene einen Einfluss auf mich. Dazu habe ich jetzt eine Agentur in L. A. und plötzlich wird die Welt etwas größer. Diese Öffentlichkeit und die Pressearbeit sind neu und herausfordernd für mich. Ich bin ja in der Schauspielerei zu Hause. Das ist wie Glatteis.

Sie wirken im neuen „Kingsman 3“ mit – sind weitere internationale Projekte in Sicht?
VALERIE PACHNER: Ich kann gerade noch nicht darüber reden. Das Wo ist mir aber nicht so wichtig, ich will einfach gute Filme machen.

Martin Kusej, der Sie für München verpflichtete, wäre in Wien? Wieder Lust aufs Theater?
VALERIE PACHNER: Wir sind immer wieder im Gespräch. Es gibt Lust auf beiden Seiten. Ich vermisse das Theater. Ich wollte meine Beziehung zur Bühne schützen, nicht überstrapazieren, aber wäre neugierig, ihr neu zu begegnen.