Mit zwei „Trainspotting“-Filmen machte der Brite Danny Boyle international Furore. Für „Slumdog Millionär“ erhielt er einen Golden Globe und einen Oscar. Seinen neuen Film „Yesterday“ widmet er den Beatles – genauer gesagt ihren Songs.


Er wollte schon immer einen Film über sie machen, erzählt Danny Boyle im Soho Hotel in Westminster. Schon in seiner frühen Jugend waren die Pilzköpfe in seinem Elternhaus in Manchester präsent: „Ich hatte eine Zwillingsschwester und eine jüngere Schwester. Weil wir nicht reich waren, schliefen wir alle im selben Zimmer. Und was machten wir dort immer vor dem Schlafengehen? Wir spielten Beatles. Zunächst gingen wir unter die Bettdecke, die warfen wir dann theatralisch in eine Ecke und legten unter der ‚Regie‘ meiner Zwillingsschwester los. Sie war ein Riesenfan von Paul McCartney, also stand ihre ‚Rolle‘ fest. Ich war die Stammbesetzung für John Lennon.“


Bis es zu „Yesterday“ kam, fehlte ihm vor allem die zündende Idee. „Ich wusste nur“, sagt er, „dass es keine Biographie werden sollte. Das wäre mir zu plump gewesen. Es war Richard Curtis, der mir schließlich ein königliches Drehbuch brachte. Absolut keine Biographie, sondern ich würde die Geschichte als DNA-Suche bezeichnen.“


Einen genialen Kniff hatte sich Curtis, der schon „Notting Hill“, „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Bridget Jones“ schrieb, einfallen lassen: Jack Malik, ein ambitionierter, aber erfolgloser Sänger und Songwriter, wird von einem Bus angefahren. Just in diesem Moment fällt auf der ganzen Welt für zwölf Sekunden der Strom aus. Als Jack wieder zu Bewusstsein kommt, stellt er fest, dass offensichtlich die Beatles und ihre Songs aus der Erinnerung der Menschen gelöscht wurden. Nur Jack kennt sie, singt sie, und alle glauben, dass es seine Lieder sind. Er wird zum Weltstar.

Danny Boyle und Richard Curtis
Danny Boyle und Richard Curtis © Vianney Le Caer/Invision/AP


Boyle: „Wir konnten ja nicht alle Kompositionen der Beatles verwenden. Also wählten wir nur die populärsten Titel aus. Nachdem wir uns entschieden hatten, kam es zu einem weiteren Problem, das auch mit Musik zu tun hatte. Wir brauchten nicht nur die Songs, sondern auch die sogenannte Filmmusik. Nun gehen Sie einmal zu einem namhaften Komponisten und machen ihm dieses Angebot. Er würde fragen: ‚Waaas? Und dazu ein paar Noten von mir? Wisst ihr was? Ihr seid plem-plem! Da bin ich doch mit meiner Musik ein lebender Toter.‘ Gott sei Dank hat Daniel Pemberton nicht so reagiert und er ließ sich überreden. Für mich ist seine musikalische Lösung geradezu genial.“


Mit den noch lebenden Beatles wurde nicht verhandelt, aber Paul McCartney und Ringo Starr erhielten Infos. Danny Boyle über ihre Reaktionen: „Ringo schrieb mir einen ganz entzückenden Brief. Mit Olivia, George Harrisons Witwe, hatten wir ebenso keinen Kontakt wie mit Yoko Ono. Und Paul, dem ich bei meiner Tätigkeit für die Olympia-Zeremonie in London begegnet war, ließ mich nur wissen, Hauptsache sei, dass wir als Filmtitel nicht ‚Scrambled Eggs‘ verwenden würden. Denn so hieß die Urversion von ‚Yesterday‘ ...“

Ein Geheimnis bleibt


Im Film kommt überraschenderweise John Lennon vor. „Psst“, legt Danny Boyle einen Finger auf den Mund, „bitte verraten Sie nichts. Ausgangspunkt war, dass ich mich immer fragte, was er heute machen würde. Für mich ist er jedenfalls ein Autor, der auf unvergleichliche Art und Weise von Liebe erzählen kann, die nie endet. Im konkreten Fall auch von der Liebe zu den Beatles. Und Richard ist zudem ein König der Romantik.“ Curtis widerspricht vehement: „Ich, ein König der Romantik? Die Wirklichkeit sieht anders aus. Mehrmals habe ich versucht, meiner Freundin einen besonders herzergreifenden Antrag zu machen. Bei allen möglichen Gelegenheiten. Und ich wurde dabei immer lächerlicher ...“


Die Hauptrolle des Jack Malik wurde mit dem nahezu unbekannten Himesh Patel besetzt, alles andere denn ein Glamour-Boy, aber, laut Boyle, „einer jener raren Fälle, dass einer zu den Castings kommt und man weiß sofort: Der und nur der kann es sein! Absolut bemerkenswert ist, dass er alle Titel der Beatles für den Film live gesungen hat.“
Und man gewann Ed Sheeran für eine Mitwirkung.

Spielt sich selbst: Popstar Ed Sheeran
Spielt sich selbst: Popstar Ed Sheeran © AP

Curtis: „Er war ungemein großzügig und stellte uns die Publikumskulisse seiner Auftritte in Wembley und Cardiff zur Verfügung.“ „Er war“, ergänzt Boyle lächelnd, „auch ein überzeugender Schauspieler. Als Darsteller des Ed Sheeran ...“


Ob es nach den beiden „Trainspotting“-Dramen für ihn nicht unerwartet und ungewöhnlich sei, mit „Yesterday“ einen drogenfreien Film gedreht zu haben, lächelt Boyle noch einmal: „Wer sagt das? Popgeschäft, Konzerte vor Tausenden von Menschen, ich bitte Sie: Da gibt es noch viel, viel mehr Drogen als in ‚Trainspotting‘. Nur sieht man sie nicht.“
Schade, dass Boyle nun doch nicht, wie vorgesehen, das neue James-Bond-Abenteuer inszeniert. Er zuckt mit den Achseln: „Es gab ‚kreative Differenzen‘. Es ist aber nichts Gehässiges passiert. Jede Seite hat die Argumente der anderen verstanden, wir trennten uns auf faire Art und Weise. Ich bin überzeugt, dass Cary Fukunaga eine fabelhafte Arbeit abliefern wird.“