Sie sind damals, 2011, anstelle von Ian McKellen in „X-Men“ eingestiegen. Mussten Sie lange überlegen?
MICHAEL FASSBENDER: McKellen hatte zu Recht viele Fans. Respekt war also geboten. Doch für mich gilt: Ein bisschen Respekt ist o. k., zu viel Respekt kann ein Hindernis sein. Ich habe also nicht allzu lang überlegt.

Sie schaffen seit jeher spielend den Umstieg von Groß-Hollywood auf kleine, unabhängige Produktionen. Kein Problem für Sie?
MICHAEL FASSBENDER: Absolut nicht. Ich lasse einfach alles auf mich zukommen und versuche, das Beste daraus zu machen.

Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Groß-Hollywood und den sogenannten „Indies“?
MICHAEL FASSBENDER: Hauptsächlich geht es um den Zeitfaktor. Die Hollywood-Großproduktionen sind aufwendiger, beschäftigen mehr Menschen und kosten entsprechend viel.

Bei „Dark Phoenix“ fällt auf, dass Sie nicht sehr viele Dialoge haben.
MICHAEL FASSBENDER: Kommt mir entgegen, weil ich an sich kein Dampfplauderer bin. Die Leute sollen ohne große Worte das Gefühl haben, dass ich als Magneto der sichere Hafen der X-Men bin.

Ihr Erfolg könnte auf dem basieren, was einst Regisseur Steve McQueen über Sie gesagt hat. Nämlich: „Er besitzt eine Zerbrechlichkeit und Weiblichkeit, gleichzeitig aber auch Männlichkeit, die er jederzeit zum Einsatz bringen kann. Man erstarrt als Publikum nicht in Ehrfurcht, sondern wird ein Teil von ihm.“
MICHAEL FASSBENDER: Sie gestatten, dass ich mich geschmeichelt fühle.



Dabei haben Sie nie eine Schauspielschule abgeschlossen?
MICHAEL FASSBENDER: Weil mir plötzlich eine interessante Rolle in der Serie „Band of Brothers“ angeboten wurde. Und damit ging’s los.

Man hört, dass für „Dark Phoenix“ ein neuer Schluss gedreht werden musste.
MICHAEL FASSBENDER: Es ging darum, dass die Schlusssequenzen von „Dark Phoenix“ und einer anderen neuen Superhelden-Produktion in Bezug auf die weibliche Hauptfigur zu ähnlich waren. Also mussten wir umdenken. Welcher andere Film das war, sage ich nicht. Vielleicht hatten die ja einen Spion bei uns am Set.

Aber es ist unschwer zu erraten, dass es sich wahrscheinlich um „Captain Marvel“ gehandelt hat. Jedenfalls rückte da wie dort eine Frau ins Zentrum der Geschichte. In „Dark Phoenix“ ist es Sophie Turner aus der Serie „Game of Thrones“, die zum unberechenbaren und oft angsterregenden Racheengel wird. Eine gute Idee?
MICHAEL FASSBENDER: Absolut gut – und interessant. Interessant vor allem, weil sie nicht bloß weibliches Gegenstück der männlichen Helden wird, sondern in der Story einen absolut eigenen Weg geht.

Als X-Man haben Sie auch die Fähigkeit, in die Gedanken anderer Menschen einzudringen. Würde Ihnen das auch in Wirklichkeit gefallen?
MICHAEL FASSBENDER: Um Gottes willen, nein! Da würde ich ja auch erfahren, was die anderen über mich denken. Ehrlich: Manchmal ist der Gedanke vielleicht verlockend. Doch letztendlich könnte das sehr, sehr gefährlich werden.

Sie haben in „Dark Phoenix“ wenige Dialoge, aber ein Kraftlackel mit überirdischen Fähigkeiten bleiben Sie trotzdem. Einmal etwa heben Sie als Magneto einen U-Bahn-Zug aus einem unterirdischen Tunnel, um ihn als Planierraupe zu benützen.
MICHAEL FASSBENDER: Alles ein Resultat der Arbeit unserer tollen Tricktechniker.

Also war kein langes vorheriges Krafttraining nötig?
MICHAEL FASSBENDER: Nötig nicht. Aber ich arbeite trotzdem fleißig im Gym. Weil ich nicht mehr zwanzig bin.



Im April wurden Sie 42.
MICHAEL FASSBENDER: Eben. Das Training ist daher für mich kein Eitelkeitsfaktor, sondern reinigt auch das Gehirn für den Rest des Tages. Und gibt mir eine Menge Energie. Ich mache auch Boxtraining. Ich habe dafür zwar kein Riesentalent, trotzdem konnte ich eine Menge lernen.

Welche Beziehung haben Sie zu Superhelden-Figuren? Waren Sie je ein Comicfan?
MICHAEL FASSBENDER: Ich habe nie Comics gelesen. Aber ich hatte ein Superman-Outfit. Ich nützte es, um zu „fliegen“. Von der Couch. Oder mich im Freien hinter einem Busch zu verstecken und dann hervorzuspringen und den Bösewicht zu attackieren. Den musste immer mein Cousin spielen.

Also gefallen Ihnen zumindest die „X-Men“-Trickaufnahmen, in denen Sie an unsichtbaren Fäden hängen?
MICHAEL FASSBENDER: Immer weniger. Weil ich mir zusehends Gedanken mache: Was ist, wenn das reißt und ich hinunterfalle? Hat wohl mit meinem fortgeschrittenen Alter zu tun.

Das hindert Sie aber nicht, sich hobbymäßig als Autorennfahrer zu betätigen. Als Sie begannen, ließ man Sie gleich in einen Ferrari 488 mit 500 PS steigen.
MICHAEL FASSBENDER: Wenn je in meiner Gegenwart das Wort Rennauto fiel, war das für mich gleichbedeutend mit Ferrari. In diesem Sinn war ich also sehr privilegiert.

Am Anfang war es nicht einfach. In Mugello in Italien drehten Sie sich auf der Rennstrecke einmal im Kiesbett, und bei der Ferrari-Challenge in den USA sind Sie mit einem anderen Auto kollidiert und ausgeschieden. Hat Sie das nicht abgeschreckt?
MICHAEL FASSBENDER: Keineswegs, und ich habe mittlerweile eine Menge gelernt, vor allem, mich gut vorzubereiten und gut zu kontrollieren. Kontrolle ist ungemein wichtig. Auch beim Film.

Ihr Vater ist Deutscher, Ihre Mutter Irin. Meist fürchten sich die Mamas, wenn ihr Sohn in ein Rennauto steigt.
MICHAEL FASSBENDER: Meine nicht. Sie ist leidenschaftlicher Formel-1-Fan.

Sie wurden in Heidelberg geboren. Halten Sie sich noch oft in der alten Heimat auf?
MICHAEL FASSBENDER: Natürlich. Erst letzte Woche war ich wieder da. Und natürlich habe ich mich dabei auch auf dem Hockenheim- und dem Nürburgring herumgetrieben. Ich liebe auch die deutsche Küche sehr. Sauerkraut, Schnitzel, Erdäpfelsalat. Allergisch bin ich nur auf Sellerie.

Einspruch, verehrter Herr Fassbender. Schnitzel und Erdäpfelsalat wollen wir doch nicht unter die deutschen Speisen reihen.
MICHAEL FASSBENDER: Ich entschuldige mich bei den Österreichern. Die Speisen gehören natürlich euch. Und sie schmecken wunderbar.