Das Internationale Filmfestival von San Sebastian will sich mehr für die Gleichstellung der Frauen in der Filmwelt engagieren. Am Sonntag unterzeichneten Spaniens Kulturminister Jose Guirao, Vizeministerin Carmen Calvo und Festivaldirektor Jose LuisRebordinos offiziell eine "Charta zur Gleichstellung der Frauen im Kino".

Die meisten Auflagen dieser Charta erfülle das Festival von San Sebastian bereits, erklärte Festivaldirektor Rebordinos im Gespräch mit der APA. Schon seit Jahren gebe man öffentlich die Mitglieder des Auswahlkomitees des Festivalprogramms bekannt und könne belegen, dass mit vier Frauen und drei Männern sogar ein Frauenüberschuss im Komitee bestehe. Von den 34 Festivalangestellten seien 28 Frauen. Auch die beiden stellvertretenden Festivaldirektoren seien Frauen.

Fünf Regisseurinen

Es gebe allerdings noch viel zu tun. Die großen Filmfestivals von Berlin, San Sebastian und Cannes hätten niemals eine weibliche Festivaldirektorin gehabt. "Ich hoffe und gehe davon aus, dass mein Nachfolger als Direktor eine Frau sein wird", so Rebordinos.

In diesem Jahr sind mit fünf Regisseurinnen wie der Japanerin Naomi Kawase ("Vision" mit Juliette Binoche) und der Spanierin Iciar Bollain, die in "Yuli" die Geschichte des kubanischen Tänzers Carlos Acosta erzählt, auch außergewöhnlich viele Frauen im Rennen um die "Goldene Muschel". Filmemacherin Claire Denis stellt unterdessen ihr Science-Fiction-Drama "High Life" mit "Twilight"-Star Robert Pattinson und Juliette Binoche vor.

"Unser Festival ist sehr feminin. Doch wenn man uns schon gratuliert, nur weil sich unter unseren 18 offiziellen Wettbewerbsteilnehmer fünf Regisseurinnen befinden und wir damit den höchsten Frauenanteil unter den A-Festival haben, dann läuft tatsächlich irgendetwas falsch", so Rebordinos. Er will nicht behaupten, die Filmfestivalwelt sei machistisch, wohl aber maskulin geprägt und dominiert. Wie dominant, zeigen jüngste offizielle Statistiken: Demnach zeigten die drei A-Festivals Berlin, Cannes und San Sebastian in den vergangenen zehn Jahren 813 Filme. Davon stammten rund 90 Prozent von Männern.

"Wahrscheinlich ein Problem"

Festivaldirektor Rebordinos gibt jedoch eines zu bedenken. Seit der #metoo-Debatte diskutiere man viel über dieses Ungleichgewicht. Man müsse aber schauen, wie diese Zahlen zustande kommen. "Deshalb verpflichten wir uns in der Charta beispielsweise, geschlechtsspezifische Statistiken über die eingereichten Filme zu machen", so Rebordinos.

Man schaue sich jährlich bis zu 2.000 Filme für das Festivalprogramm an. Doch gibt es keine Datenbank darüber, wie viele Produktionen von Frauen sind. "Das ist interessant zu wissen, denn wenn 20 Prozent der Filme von Frauen sind, ein Festival aber nur fünf Prozent weibliche Regisseurinnen auswählt, haben wir wahrscheinlich ein Problem eines zu maskulinen Auswahlverfahrens der Festivals. Wenn jedoch nur zehn Prozent der eingereichten Filme von Frauen stammen, existiert vielleicht ein Problem in den Führungsetagen der Produktionsfirmen. Wir brauchen hier Daten, um die Lage und Probleme wirklich analysieren zu können", versichert der Festivaldirektor.

Eine Sache möchte Rebordinos jedoch klarstellen. "Wir sind und werden auch in Zukunft vollkommen gegen Frauenquoten sein. Wir werden uns bei der Auswahl der Filme exklusiv nach der Qualität der Filme richten". San Sebastian ist nach Locarno das zweite große Internationale Filmfestival, welches eine Charta zur Gleichstellung der Frauen unterzeichnete.

Die Forderungen nach mehr Chancengleichheit für Frauen in der Filmbranche startete im Mai auf dem Filmfestival von Cannes, wo unter Jury-Präsidentin Cate Blanchett rund 80 Schauspielerinnen und Filmemacherinnen für Einkommensgleichheit, Parität und Transparenz in den Entscheidungsgremien der Festival demonstrierten.

Sie beklagten auch, dass in der Festivalgeschichte von Cannes 71 Männer, aber bislang nur zwei Frauen mit der Goldenen Palme geehrt worden sind. "Frauen sind nicht in der Minderheit in der Welt und dennoch sagt unsere Branche das Gegenteil", beklagte sich Cate Blanchett begleitet von Claudia Cardinale und Marion Cotillard auf dem roten Teppich von Cannes. Ihr Protestaufruf scheint zu fruchten, wie man bereits in Locarno und jetzt auch in San Sebastian sehen konnte.