Zuerst gingen Cate Blanchett, Kristen Stewart
und die drei anderen Frauen der diesjährigen Cannes-Jury los. Sie
hakten sich unter und liefen gemeinsam über den roten Teppich. Auf
den Stufen vor dem Festivalpalast angekommen, formierten sie sich in
Reihen - insgesamt standen dort dann 82 Frauen, alle aus der
Filmbranche. Zu ihnen gehörten auch Salma Hayek und die 89-jährige
Regisseurin Agnes Varda.

"Frauen sind auf der Welt keine Minderheit und doch sieht die
Realität in der Industrie anders aus", sagte Blanchett und
verlangte, dass die Arbeitsplätze divers und gerecht verteilt
werden. "Die Stufen unserer Industrie müssen für alle zugänglich
sein! Los geht's!", rief die Jurypräsidentin, bevor alle Frauen ihre
Hände gemeinsam kämpferisch in die Luft streckten.

Es war ein starker Moment mit Signalwirkung und ein wichtiges
Statement in Zeiten der MeToo-Bewegung. Die 82 Frauen standen für
die geringe Zahl der Regisseurinnen, die in den mehr als sieben
Jahrzehnten des Festivals ihre Filme im Wettbewerb von Cannes zeigen
konnten - im Gegensatz zu 1.866 Regisseuren. In all den Jahren
gewann auch erst eine Frau die Goldene Palme für den besten Film:
1993 wurde die Neuseeländerin Jane Campion für "Das Piano"
ausgezeichnet.

Diese Protestaktion war außerdem der wuchtige Auftakt für die
Galapremiere von "Girls of the sun", einem von drei Beiträgen, die
in diesem Wettbewerb von Regisseurinnen stammen. Die Französin Eva
Husson erzählt darin von einer kurdischen Kampfeinheit, die nur aus
Frauen besteht. Frauen, die wie ihre Anführerin Bahar von
islamistischen Extremisten verschleppt und als Sklavinnen verkauft
worden waren. Frauen, deren Männer erschossen und deren Söhne zu
IS-Kämpfern ausgebildet werden. Husson überfrachtet ihren Film dabei
zwar etwas und hätte auch mit weniger Sentimentalität auskommen
können. Dennoch ist das Schicksal der Frauen ergreifend - und
Hauptdarstellerin Golshifteh Farahani hat beste Chancen auf eine
Auszeichnung.

Ganz anders war hingegen der mit Spannung erwartete Beitrag, den
der Deutsche Wim Wenders an die Croisette brachte: "Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes" ist eine Dokumentation über den Papst.  Dabei geht es nicht um dessen Biografie, sondern vielmehr um seine Ideen, Meinungen und Überzeugungen. "Die Welt heute ist eine taubeWelt", sagt der Papst darin. Viele seien gleichgültig dem Leiden
anderer gegenüber. Er prangert soziale Missstände an, die
"Plünderung der Erde" und das Ausgrenzen von Menschen anderer
Kulturen und Religionen. "Es gibt heute viel Armut, das ist ein
Skandal", sagt er. "Der Versuchung des Reichtums erliegen viele,
auch in der Kirche."

Es habe ihn sehr beeindruckt, wie sich der Papst auf seine Fragen
eingelassen habe, erzählte der 72 Jahre alte Wenders im Interview
anlässlich der Premiere am Sonntagabend.
"Was mir wirklich nahe gegangen ist, ist seine tiefe Sorge um den
Planeten. (...) Mich hat am meisten beeindruckt, wie er das
zusammengebracht hat - die Klimaprobleme und Armut. Wie die, die am
ärmsten sind, auch am meisten unter der Klimaproblematik leiden."
Kritische Stimmen sind im Film nicht zu hören, auch heikle Themen
wie Kindesmissbrauch in der Kirche werden nur kurz angerissen. Und
doch imponiert das Werk als facettenreiche und nachdenklich
stimmende Hommage an die Arbeit und die Ideale des Papstes.

Überhaupt war es ein Festivalwochenende voller politischer
Themen. So konnte der Iraner Jafar Panahi erwartungsgemäß nicht aus
seiner Heimat ausreisen, um "Three faces" vorzustellen. Sein Platz
in der Premiere und bei der Pressekonferenz blieb leer - und dennoch
wurde der Regisseur gefeiert. Schließlich ist es nicht nur
bemerkenswert, dass es ihm erneut gelang, trotz Berufsverbots einen
Film zu drehen und ins Ausland zu bringen. "Three faces" ist darüber
hinaus eines von Panahis eher explizit kritischen Werken: Anhand der
Leben von drei Schauspielerinnen im Iran entfaltet der 57-Jährige
ein Abbild der Gesellschaft.

Während Frauen in Teheran gewisse Freiheiten genießen, sieht die
Realität für Mädchen auf dem Land sehr anders aus - sie sind den
repressiven Regeln der Dorfgemeinschaft ausgesetzt. Die junge Rezaei
aber will ihren Schauspielerinnen-Traum nicht aufgeben und wehrt
sich. "Three faces" wird damit auch zu einem eindringlichen Appell
für die Gleichberechtigung von Frauen - passend, dass Panahis Film
gleich im Anschluss an Hussons Werk und den Protestmarsch der Frauen
gezeigt wurde.