Die Erfolgskurve von „Die beste aller Welten“ zeigt steil nach oben. Bei der Uraufführung auf der Berlinale erhielt Adrian Goigingers Debütfilm über seine Kindheit mit einer heroinsüchtigen Mutter, gespielt von Verena Altenberger, den Kompass-Perspektive-Preis, bei der Diagonale kürte das Publikum ihn zum Sieger des Herzens. Ab Freitag läuft der Film österreichweit im Kino an.


Wann haben Sie den Entschluss gefasst, Ihre Geschichte zu verfilmen?
ADRIAN GOIGINGER: Ich hatte das nie geplant. Es war 2012, als meine Mutter sehr jung mit 39 Jahren gestorben ist. Beim Schreiben ihrer Grabrede – tatsächlich – habe ich darüber nachgedacht, was für eine arge Leistung es von ihr war, mir trotz ihrer Heroinsucht eine schöne Kindheit zu schenken. In meiner Wahrnehmung habe ich das gehabt: eine schöne Kindheit. Wenn man jemandem sagt, die Mutter sei alleinerziehend und heroinsüchtig, denken sich wohl viele: „Oh mein Gott! Was muss das für eine Kindheit gewesen sein!“ Es war aber nicht so, es war schön. Und das ist alleine ihr Verdienst. Meine Geschichte ist eine, bei der Erwartungen nicht erfüllt werden. Und das finde ich gut. Für mich ist der Film kein Drogenfilm, sondern ein Liebesfilm.


War es schwierig für Sie, sich an diese Zeit zu erinnern und alles aufzuschreiben?
Nein. Ich habe total präzise Erinnerungen an meine Kindheit. Es beginnt schon bei drei, vier Jahren, wo ich mich an einzelne Momente aus meiner Zeit im Kindergarten erinnere.


Für die Dreharbeiten sind Sie auch an jenen Ort in Salzburg-Liefering zurückgekehrt, an dem Sie aufgewachsen sind. Wie war die Rückkehr dorthin?
Wir haben im Viertel, aber nicht genau in unserer alten Wohnung gedreht, sie wäre zu klein gewesen. Ich bin von dort mit zwölf Jahren weggezogen in ein anderes Viertel in Salzburg, seitdem war ich nicht mehr dort. Vor einem Jahr besuchte ich die Siedlung für die Recherche wieder und habe dann auch meine alten Kindheitsfreunde wieder getroffen – die natürlich noch immer dort wohnen. Das ist ein Viertel, aus dem du nicht rauskommst. Dort bist du von Geburt an gebrandmarkt. Die Rückkehr war aber sehr schön.


Inwiefern schön?
Salzburg ist eine Schickimicki-Stadt. Aber die Menschen in dieser Siedlung leben ohne Fassade: wozu und für wen auch? Das finde ich total erfrischend. Für mich war es spannend zu sehen, wie die Leute reagieren, wenn ich genau dort einen Film machen möchte. Sie hätten es ja als Eindringen in ihre Privatsphäre sehen können. Haben sie aber nicht. Sie haben sich gefreut, dass diese Seite von Salzburg auch einmal gezeigt wird.

Adrian Goiginger (26) studierte Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg
Adrian Goiginger (26) studierte Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg © Ritzlfilm


Wie haben Sie Jeremy Miliker, der Sie verkörpert, auf das harte Thema Drogen vorbereitet?
Gar nicht, er hat vor dem Dreh nichts darüber gewusst. Für ihn war der Film einer über ein Kind, das Abenteurer werden will. Jetzt weiß er schon einiges. Er ist ja ein vifes Kerlchen, der schon beim Drehen viel mitbekommen hat. Ich bin sehr zufrieden mit seiner Leistung; und er ist auch stolz. Es gibt wenige gute Kinderdarsteller. Einer der diesbezüglich besten Filme ist „Beasts of the Southern Wild“, da spielte ein sechsjähriges Mädchen die Hauptrolle. Hollywood-Regisseur Benh Zeitlin hat mir in einem Skype-Gespräch zwei Stunden lang erklärt, wie er das Kind inszeniert hat. Er hat alles um das Mädchen herum gebaut: Schauspieler, Technik, Set. Genau so habe ich es auch gemacht.


Der Film gibt auch sehr explizite Einblicke in den Drogenalltag. Wollten Sie aufklären?
Ja, das war mir ganz wichtig. Ich habe davor viele Interviews mit NGOs, Sozialarbeitern, Caritas etc. gehabt. Denn: Da läuft einiges schief im Staate Österreich, was die Sicht auf Drogen und den Umgang mit Süchtigen betrifft.


Was läuft denn aus Ihrer Sicht schief?
Niemand wird wegen der Drogen süchtig. Man wird süchtig, weil man eine innere Leere, eine Trauer oder eine Depression hat. Drogen zu verteufeln, bringt überhaupt nichts. Man muss versuchen, die seelischen Wunden zu heilen, der Rest kommt dann von selbst. Ich hoffe, dass der Film ein bisschen sensibilisiert und dass die Leute nicht den Drogen an sich die Schuld geben. Die Ärzte wollen die Leute nur von den Drogen runterbringen, damit die Drogensüchtigen nicht mehr als Süchtige zählen. Das passiert aber nicht, sie geben ihnen Substitol, das sie auflösen und sich injizieren. Der Staat kassiert, aber die Leute sind voll drauf. Ich bin da sehr kritisch der Politik und dem Gesundheitswesen gegenüber.


„Die beste aller Welten“ hat bislang neun Preise abkassiert. Es heißt, wenn der erste Film erfolgreich ist, wird der zweite sehr schwierig. Stimmt’s?
Ich weiß es nicht. Ich plane meine Karriere nicht, sondern mache das, wofür mein Herz schlägt. Ich habe versucht, mich von Anfang an nicht so sehr über Erfolge zu freuen und nicht bei jedem Misserfolg zerstört zu sein. Aber: Fragen Sie mich in einem Jahr doch noch einmal!