Beim Gespräch im Konzertsaal der Burg Taggenbrunn ist der 74-Jährige zugewandt, aber vorsichtig um Corona-Abstand bemüht. Die Multi-Media-Schau über den Zustand der Erde zeigt eine neue Seite des Bildmagiers.

Hellers Weltzustandsmaschine auf Burg Taggenbrunn
Hellers Weltzustandsmaschine auf Burg Taggenbrunn © APA/SUZY STÖCKL


Wie sind Sie zur Ausstellung auf Burg Taggenbrunn gekommen?
ANDRÉ HELLER: Ich bin ja ein alter Burgen-Feind, habe schon als Kind alles, was mit Rittern zu tun gehabt hat, nicht leiden können. Dieses Steinige, Abweisende war nie meins. Dann hat der Alfred Riedl sich dieses monströse Werk angetan, und ich dachte, das ist deine Chance, dich mit dem Thema Burg zu versöhnen. Ich mach’ etwas, was völlig gegen den Strich der Logik solcher Gebäude gebürstet ist. Machen wir Räume, die sich mit etwas beschäftigen, was heute relevant ist.

Wen wollen Sie erreichen?
Was machen die Leute in ihrer Freizeit? Wie unangenehm sind diese Familienausflüge, weil der Vater was anderes will als die Mutter, und die Kinder sowieso wieder was anderes. Wenn die Großmutter auch noch mitkommt, ist der Streit vorprogrammiert. Bei den Wochenendausflügen zerstreiten sich die Familien endgültig. Ich wollte Räume schaffen, wo es am Schluss wie in den Filmen von Charlie Chaplin ist – wenn man rausgeht, hat jeder gelacht, aber nicht jeder an derselben Stelle. Das ist einer dere Gründe für den Erfolg meiner Shows, weil am Ende alle irgendwie eine Freude empfunden haben.

Wie schaut jetzt ein Familienausflug nach Taggenbrunn aus?
Mein Team hat es geschafft, dass der größte Datensammler der Welt uns für die Weltzustandsmaschine fast gratis seine Daten zur Verfügung stellt, die wir bündeln. Jetzt macht der Ausflug schon mehr Sinn, weil der Sohn dem Vater erklären kann, wie das mit den Feuern ist, die gerade brennen, die Väter sind ja immer die Obergescheitesten. Und die Mutter kann sehen, wie viel Müll in den Meeren schwimmt. Die Schau stoppt sozusagen diese Hellerkind-Angst, dass der Ausflug ein Desaster werden muss.

Sie gehen selbst als Kind durch Ihre Ausstellung?
Kind sein heißt einfach, dass man offener ist, neugierig, heißt nicht, dass man ein kleines Wesen mit wenig Ausbildung ist. Ich glaube sowieso, dass wir in diese Welt mit einem unglaublichen Wissen hineinkommen, das die Erziehungsmaßnahmen nach und nach verschütten. Ein Kind ist etwas Wacheres, Aufnahmefähigeres als ein Erwachsener. Kinder sind nie blasiert.

So eine technik-lastige Schau in Ihrem Namen überrascht.
Ich hätte nicht ein Museum für Technologie entworfen, aber drei Räume ist gerade das Pensum, das mir guttut. Ich bin kein Internet-Freak, habe immer mit Lebendigem gearbeitet. Shows mache ich keine mehr, jetzt sind halt die Gärten dran. Aber es ist schon gut, wenn man die ganzen Informationen der Welt zu seiner Ausbildung zur Verfügung hat. Ich bin so mit dem Nicht-Künstlichen beschäftigt in meinem Dasein, dass ich mich ruhig auch einmal mit künstlichen Welten bei einem Projekt beschäftigen kann.

Verbinden Sie Jugenderinnerungen mit Kärnten?
Normalerweise waren wir im Sommer im Salzkammergut, ein paar Mal auch in Pörtschach. Da bin ich, das sage ich jetzt mit großer Ernsthaftigkeit (schmunzelt), Sieger bei der Mister-Strandgeflüster-Wahl geworden und später einmal Zweiter bei einem Twist-Wettbewerb. Da hab’ ich einen aktentaschengroßen Koffer mit Mannerschnitten gewonnen.

Und heute?
Ich habe großartige Freunde in Kärnten. Und die Dichter! Mit Gert Jonke war ich sehr gut befreundet, als junger Mann war ich ein aufmerksamer Handke-Leser. Ich schätze sehr den Josef Winkler und den Peter Turrini, die Bachmann. Wen ich sehr mag, ist die Anna Baar, ein Zauberwesen. Aber für die imponierendste Kärntner Dichtergestalt halte ich die Christine Lavant, die ist die unterschätzteste Dichterin deutscher Sprache!

Ein großes Projekt in Kärnten war im Vorjahr „For Forest“. Klaus Littmann verpflanzte Bäume ins Stadion, Sie verpflanzen Bäume in Ihren Garten in Marrakesch ...
Das ist ganz etwas anderes! Ich wollte meine Möglichkeiten in ein Projekt stecken, das die nächsten Jahre immer schöner und schöner wird. Das Stadionprojekt hat ein Uraltfreund von mir erfunden, der Max Peintner. Niemand hätte das gemacht, wenn es das nicht servierfertig von ihm gegeben hätte. Die Idee ist alles bei dem Projekt.

Apropos Gärten ...
Vieles in der Kunst ist flüchtig, eine Theater-, eine Opernvorstellung. Ich wollte was machen, wo in Zukunft Leute durchgehen, die sagen: Ich weiß nicht, wer das begonnen hat, aber danke, dass er es gemacht hat! Ich war nach zwei Jahren Coronapause vor einer Woche wieder das erste Mal in Marokko und bin mit einem Staunen herumgegangen. So schön, so sinnlich, so überzeugend, da kann man nicht mehr stänkern.

Das ist doch ein starker Kontrast zur Ihrer Weltmaschine?
Das ist die Wahrheit! Was ich gepflanzt habe, ist die Wahrheit, und wie wir die Welt „pflanzen“, ist auch die Wahrheit!