Sie sind gerade in Zürich, wo Sie ihr Rollendebüt als Boris Godunow gaben . . .
MICHAEL VOLLE: Ja, gerade war die Premiere, es war wie ein Heimkommen in diese Stadt, wo ich viel erlebt habe. Die Rolle des Boris ist ein Traum. Chor und Orchester wurden aus Abstandsgründen aus anderen Räumlichkeiten eingespielt.

Zürich ist eine der wichtigsten Stationen Ihrer Karriere?
Ja, Zürich ab 1999, in der Zeit von Alexander Pereira, wo ich acht Jahre fixes Ensemblemitglied am Opernhaus war. Dort war damals die Elite der Sänger, Dirigenten und Regisseure versammelt. Ich bin damals, so hochtrabend das klingt, mit meinen Aufgaben gewachsen.

Sie singen ja hauptsächlich deutsches Fach, aber auch italienisches. Gibt es eine persönliche Lieblingspartie?
Ich lasse mich zwar nicht gerne in eine Schublade stecken, aber es ist der Sachs aus den „Meistersingern“. Diese Rolle ist charakterlich sehr anspruchsvoll.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie Sänger wurden?
Mein Vater war Pfarrer. Ich bin das jüngste von acht Kindern und bin mit Musik aufgewachsen. Wir haben alle im Kirchenchor gesungen und auch sonst viel musiziert. Und so haben vier von uns einen künstlerischen Beruf gewählt. Auch die nächste Generation geht schon in diese Richtung. Ich bin da einfach so hineingerutscht und habe Viola und dann Gesang studiert.

Ihre nächsten Pläne?
Sofern dies alles stattfindet, was man ja derzeit nicht voraussagen kann, singe ich unter anderem an der Wiener Staatsoper den Mandryka in Strauss „Arabella“ und in Dresden den Wotan in einem kompletten Ringzyklus von Wagner unter Christian Thielemann. Der Barack aus der „Frau ohne Schatten“ von Strauss wäre an der Met geplant gewesen, aber dort wurde ja mittlerweile leider die gesamte Saison 20/21 abgesagt.

Wie haben Sie den Lockdown erlebt?
Mit voller Wucht. Das war ganz schlimm. Ich habe gerade den Johanaan aus Strauss „Salome“ an der Mailänder Scala geprobt, als dort zwei Mitarbeiter positiv getestet wurden. Letztendlich wurde die Produktion kurz vor der Premiere gestoppt. Dann der generelle Lockdown von hundert auf null. Sukzessive kamen die Absagen von allen großen Opernhäusern der Welt. Ich fühlte mich einfach ganz leer. Es war und ist zum Teil wie ein Berufsverbot. Kunst ist ein Teil unseres Seins, und Musik ist wie Medizin für das Publikum, aber auch für einen selber. Bis zu 25 Prozent meines Jahreseinkommens habe ich schon verloren. Ich kann mich trotzdem nicht beklagen, aber viele freischaffende Kollegen werden das beruflich nicht überleben. Es gibt etliche, von denen ich weiß, dass sie sich bereits einen neuen Job suchen. Das ist eine große Belastung.

Setzen Sie sich deshalb für eine eigene Gewerkschaft für freischaffende Künstler ein?
Ja, denn wir sind alle nicht organisiert. Wir habe keine Lobby. Da muss unbedingt etwas passieren. Die Idee ist im Werden.

Ihre Gattin Gabriela Scherer ist auch Opernsängerin, gelingen da gemeinsame Auftritte und ist sie Ihre wichtigste Kritikerin?
Es ist uns schon öfters gelungen, etwa bei Vorstellungen von „Arabella“ und dem „Fliegenden Holländer“. Und es gibt immer wieder Pläne dafür. Es ist für mich immer ein Traum, mit ihr gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Ich bin froh über ihre Kritik, sie darf alles sagen, denn sie kennt meine Stimme ganz genau. Und das nach so vielen Jahren – und wir sind immer noch zusammen (lacht).

Jetzt geben Sie in Taggenbrunn einen Liederabend?
Das ist für mich Freude pur! Denn ich komme viel zu wenig dazu, Lieder zu singen. Noch dazu mit einem der besten Liedbegleiter, mit Helmut Deutsch. Wir bieten ein wunderbares Programm mit Franz Schubert „Der Taucher“, das ist eigentlich schon eine kleine Oper für sich, und mit Liedern von Gustav Mahler und Carl Loewe. Ich freue mich schon sehr auf das Konzert.