Punktgenauer kann eine Premiere nicht über die Bühne gehen: Zu Mittag wurde gestern bekannt, dass Peter Handke mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird. Am Abend feierte im Stadttheater Klagenfurt sein Stück „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ Premiere. Intendant Florian Scholz begrüßte das Publikum mit den Worten "Heute waren wir so schnell, die passende Premiere zum Nobelpreis anzubieten". Dann gratulierte er im Namen des gesamten Ensembles Peter Handke, bevor der Vorhang hochging für knapp zwei Stunden ohne Worte, aber mit einer wahren Flut an Bildern.

Peter Handkes 1992 am Wiener Burgtheater uraufgeführtes Stück, das gänzlich ohne Sprache auskommt, spielt auf einem Platz in irgendeiner Stadt irgendwo in Europa. Menschen treffen dort aufeinander, gehen aneinander vorbei, bilden Gruppen, bringen ihre Erinnerungen, ihre Sehnsüchte mit und hinterlassen ihre Spuren. Jäger und Touristen, Sportler und Geschäftsleute, Straßenkehrer, Clowns und einfache Passanten, aber auch biblische oder mythologische Figuren. Sie alle tragen ihre Geschichten mit sich und viele davon sind düster: Da gibt es unglückliche Beziehungen, ein Kind scheint verschwunden zu sein, von Armut zeugt eine alte, gebückte Frau mit leerem Einkaufwagen und die Braut ist ohne Bräutigam unterwegs. Bedrohlich klingen immer wieder Schüsse im Hintergrunde. Von grotesker Komik ist etwa ein Zug der Alten, die fast wie Zombies aussehen. 

Premiere im Stadttheater: "Der Nobelpreis für Handke kam zur rechten Zeit"

Regisseur Robert Schuster hat im Vorfeld im Interview mit der Kleinen Zeitung über das Stück gesagt: „Wenn man auf eine Frage eine Antwort hat, kommt schon die nächste Frage daher. Das ist das Besondere daran: Es bleibt immer ein Geheimnis.“ Ähnliches gilt für seine Inszenierung: Mini-Szene reiht sich an Mini-Szene, perfekt durchchoreografiert (Choreografie: Martin Gruber), in einer wahren Bilderflut. Wenn man ein Bild entschlüsselt hat, wartet schon das nächste darauf, enträtselt zu werden  - und irgendwo bleibt immer das erwähnte Geheimnis. Die dichte Collage verlangt dem Publikum eine hohe Konzentration ab, da bleiben wenige Atempausen.

Sehr konzentriert und mit schweißtreibender Körperlichkeit ist das hervorragende Ensemble im Einsatz. Nur zu zwölft stemmen sie über 340 Rollen – auch das Schauspiel hinter der Bühne mit den Kostümwechseln muss beeindruckend sein. Die Schauspieler, die aus Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich, Israel und Afghanistan kommen, zeigen nicht nur in oft ganz kurzen Sequenzen ganz große Schau-Spiel-Kunst, sondern gestalten auch live den Klangraum mit. Max Bauer unterlegt das Stück mit einem spannenden Soundteppich aus Tönen und Geräuschen (von Schritten über das Kratzen über dem Boden bis hin zum lauten Atmen), zwischendurch herrscht aber auch einfach einmal Stille - eine Herausforderung in dieser geräuschüberfluteten Zeit.

Starker Applaus für das Team, aber wohl auch für den frischgebackenen Literaturnobelpreisträger, der nicht anwesend war, sein Kommen in einer der Vorstellungen aber zumindest avisiert hat.