"Eine gespenstische Harmonie“, in der „Nachtwandler mit schweren Träumen herumirren“, schwebte Maurice Maeterlinck vor. Von diesem symbolistischen Gedicht „Pelléas et Mélisande“ restlos begeistert, formte Claude Debussy ein „Drame lyrique“, sein einziges vollendetes Musikdrama, das in Frankreich zu den am meisten aufgeführten Opern zählt (UA 1902 in Paris).

Nicht jedoch in unseren Breiten, was daran liegen dürfte, dass die handlungsarme Geschichte bei der ersten Begegnung etwas langatmig und zu wenig dramatisch wirkt. Gerade deshalb ist es besonders erfreulich, dass sich das Stadttheater Klagenfurt, in einer Koproduktion mit dem Pariser Théatre des Champs-Èlysées, wo die Produktion schon 2017 erfolgreich gezeigt wurde, dieses impressionistischen Meisterwerks erstmalig überhaupt annimmt.

Stimmungsvoll

„Mehr angedeutet als beschrieben“ solle das Ganze werden, lautet eine weitere Anweisung des Dichters. Und genau nach diesen Vorgaben entwarf Èric Ruf ein morbid-düsteres aber doch stimmungsvolles Bühnenbild mit Nebelschwaden, Wasser, Brunnen, Fischernetzen und einem modrigen halbrunden Gemäuer, das düstere Schloss Allemonde darstellend, in das die Sonne nicht mehr vordringt. Mit zu dieser tristen und geheimnisvollen Atmosphäre tragen die durch das Wasser reflektierenden Lichtstimmungen bei, die an den Mauern tanzen.

Glanz und Leuchten durch die Kostüme in düsterer Szene
Glanz und Leuchten durch die Kostüme in düsterer Szene © (c) ARNOLD POESCHL

 Goldenes Licht

In diesem dunklen Ambiente können sich die prachtvollen Kostüme von Christian Lacroix wunderbar entfalten, allein indem sie durch das Öffnen eines Fensters oder eine Türe in goldenes Licht getaucht werden. So in der berühmten Turmszene, wo Mélisande in einem hoch gelegenen Fenster, einzig aus der komplett dunklen Umgebung strahlend beleuchtet mit roten Haaren wie ein Gemälde von Klimt wirkt. Das Herablassen der meterlangen Haare bis zum Boden wirkt schon fast wieder kitschig. Dazu kommt die ausgefeilte, subtil angelegte Personenführung von Èric Ruf (Einstudierung in Klagenfurt: Laurent Delvert), die immer am Text bleibt und von kleinen Gesten und Blicken lebt.

Starkes Sängerensemble


Stark ist das Sängerensemble: Ilse Eerens ist eine mädchenhafte, zerbrechliche Mélisande. Sie singt die geheimnisvolle, undurchschaubare Außenseiterin mit feinsten Nuancen und tief gehender Innigkeit. Jonathan McGovern ist ein jugendlich naiver, sanftmütig schwärmerischer, geschmeidig singender Pelléas. Oliver Zwarg ist ein von Eifersucht zerfressener, selbstquälerisch zwischen Sanftmut und Jähzorn hin und her gerissener Golaud mit kraftvollem Gesang. Sein Sohn Yniold wird von Lisa-Maria Lebitschnig kindlich und mit großer Tonreinheit gesungen. Nicholas Cavallier ist ein sehr ergreifender, kerniger Arkel. Alexandra Kloose singt die Mutter Geneviève mit meist zu tief angesetzten Tönen. Kernig hört man Taras Kuzmych als Arzt.

Schillernde Partitur

Bei dieser faszinierend mäandernden, zu Szenen collagierten Tondichtung des Symbolismus zeigt das Kärntner Sinfonieorchester KSO unter Nicholas Carter eine delikate Differenzierungskunst von Debussys schillernder Partitur, die als perfekte Wagner-Antithese in die Musikgeschichte eingegangen ist. Zarteste Farbmischungen, subtile träumerische Klänge verdichten sich zu einem impressionistischen Gemälde.
Kurzer, heftiger Applaus! Die Produktion wandert noch nach Dijon und Toulouse.