Sie haben zweimal den Nestroy in der Kategorie Bester Schauspieler bekommen, heuer haben Sie für Regisseurin Mateja Kole(z)nik den Preis für die beste Bundesländer-Aufführung, den Klagenfurter „Iwanow“, abgeholt. Schleicht sich da so etwas wie Routine ein?

MARKUS HERING: Nein. Es ist immer aufs Neue aufregend. Man weiß ja vorher gar nicht, wie die Entscheidungen ausfallen werden. Ich hatte auch keinen genauen Überblick, was es in den Bundesländern im letzten Jahr alles gab. Aber wir haben natürlich gehofft, weil die Arbeit so ein großes Vergnügen war und wir selber dachten, da könnte uns etwas gelungen sein. Und für Mateja ist es der erste Nestroy, das hat uns sehr gefreut.

Die Auszeichnung „Bester Schauspieler“ bekamen Sie als Jonke-Darsteller. Was schätzen Sie an ihm besonders?

Seine unverwechselbare Fantasie, seine Sprache, die Bildwelten, in die er entführt. Und gleichzeitig, das habe ich jetzt wieder bemerkt, die politische Brisanz seiner Texte. Sie wirken so frisch als wären sie zur heutigen politischen Situation in Österreich geschrieben worden. Erschreckend aktuell.

Bauen Sie sich zum Lernen der Jonke-Texte eigentlich Eselsbrücken? Oder wie finden Sie sich in den Schlingpflanzen-Landschaften, wie Sie es nennen, zurecht?

Nein, es ist ein mühsamer Prozess, diese Theatertexte zu lernen, weil bei Jonke die Grammatik auch so eigen ist. Die „Chorphantasie“, meine erste Begegnung mit Jonke, das war der größte Textbrocken, den ich zu lernen hatte. Das hat schon lange gedauert, bis ich das Gefühl habe, jetzt kann ich ihn wirklich. Man muss sich in diese Grammatik, eigentlich Ungrammatik, in diese Halbsätze, die sich auf Seiten verlieren, die gar keinen Punkt haben, in die muss man sich richtig eingrooven. Das Erstaunliche war ja, dass Gert Jonke für seinen Körper geschrieben hat. Das war ganz lustig: er hatte ja eine eruptive Art sich zu bewegen und so ist auch seine geschriebene Sprache. ...

...quasi ein Schreiben gegen die Zurückverwandlung der Geschehnisse in Buchstaben. Jonke galt ja als glänzender Interpret seiner Texte.

Das hat sicher damit zu tun, weil er für sich geschrieben hat. Das konnte er auch super darbieten.

Im Dezember haben Sie bei einer Jonke-Gedenkveranstaltung in Wien mitgewirkt. Sie haben ein Hörbuch „Jonke zu hören“ aufgenommen. Gibt es weitere Jonke-Pläne? Oder ist jetzt einmal Jonke-Pause?

Ich lese ja nicht nur Jonke, sondern auch sehr andere Literatur. Aber es wäre schade, wenn der Abend mit Susanna Ridler im Dezember eine einmalige Sache bleiben würde. Sie hat sich vier Jahre mit Jonke beschäftigt, wir wollen das Projekt jetzt irgendwie gemeinsam vermarkten. Ich finde das sehr spannend, wie sie das angeht.

Wie verkauft sich das Hörbuch?

Am Anfang sehr gut. Nach den Besprechungen auf Ö 1. Ich biete es auch im Foyer des Stadttheaters an, wenn ich nach Klagenfurt komme. Im Vorfeld einer Lesung kommen immer Bestellungen. Ich vertreibe es ja selber. Jedes Hörbuch, das verkauft wird, schicke ich mit der Post los. Ich bekomme also unmittelbar mit wie das Interesse ist. Jonke ist jetzt keine Bestsellerfigur, sondern ein Liebhaberprojekt von mir. Das war mir schon klar.

Ihre Frau ist Schauspielchefin der Salzburger Festspiele. Bekommen Sie Angebote aus Salzburg oder fiele das unter „Vetternwirtschaft“?

Obwohl wir seit vier Jahren getrennt sind, fiele das bei meiner Frau wohl noch unter Vetternwirtschaft. Früher haben wir uns beide immer gesagt, wir wollen uns nicht gegenseitig Jobs zuschustern, sondern unseren Weg selbstständig gehen. Ich habe das unter Matthias Hartmann an der Burg erlebt, als er seine Familie da installiert hat. Davon halte ich nichts.

Danke für das Stichwort Hartmann. Sie haben damals das Burgtheater verlassen und sind Martin Kušej ans Residenztheater nach München gefolgt. Kommen Sie mit Kušej wieder nach Wien zurück?

Ja. Aber ich bin in dieser Spielzeit bei Karin Bergmann auch bereits wieder an der Burg. Und ich bleibe bei Kušej, ja.

Sie sind gelernter Tischler - wie kommt man vom Handwerk zum Schauspiel?

Über Feierabend-Laientheatergruppen. Ich habe immer abends in irgendwelchen Amateurtheatergruppen mitgemacht. Bis ich gesagt habe, ich probiere mein Können an der Schauspielschule verbessern zu lassen. Dass das eine Berufswahl war, war mir vorher gar nicht so bewusst. Das Tischlern ist dann in Vergessenheit geraten. Erst vor zehn Jahren habe ich mich in Wien in einer Tischlerei eingemietet und baue wieder Möbel. Ich war also dreißig Jahre Tischler-Schläfer.

Nicht Schläfer sagen. Jetzt wird uns gleich ein Algorithmus aufblättern ...