Eigentlich sind es zwei Theaterabende. Was „In den Alpen“ und „Après les Alpes“ verbindet, sind die Berge und der Wille der Auftraggeber. Fiston Mwanza Mujila, der in Graz lebende Autor mit kongolesischen Wurzeln, schrieb seinen Text als Gegenstück zu Jelineks Abrechnung mit den Freisprüchen nach dem Kapruner Bergbahnunglück im Jahr 2000. Dass der Abend aufgeht, ist das Verdienst von Claudia Bossard und ihren Schauspielern. Die Regisseurin versucht gar nicht, den Bruch zu kitten. Als Bindeglied muss genügen, dass beide Texte sich auf sehr verschiedene Art an den Alpen als Identitätsmarker, Sportgerät, Grenze und Ort der Ausbeutung abarbeiten.

Jelineks Klage der Toten von Kaprun könnte auch Gerechtigkeit für Fakir heißen. Ein Heizstrahler der Firma dieses Namens hatte das Unglück ausgelöst. Ihm schob das Urteil alle Schuld zu, die handelnden Personen ließ man gehen. Über eine Stunde arbeitet sich Jelinek an diesem Spruch ab, dessen Details über 20 Jahre später dem Publikum nicht mehr präsent sind. So wirkt der Text, der den Tod von 155 Schitouristen ziemlich forciert in einen allumfassenden österreichischen Verdrängungszusammenhang zu stellen versucht, etwas aus der Zeit gefallen. Beherzte Kürzungen hätten eventuell helfen können.

Ganz anders der zweite Teil. Fiston Mwanza Mujila erzählt die skurrile Geschichte von Frau Gartner, einer autoritär strukturierten Afrika-Forscherin. Sie dreht die Kolonialidee um, kauft die Alpen von den tumben Älplern und lässt diese im Bergbau schuften. Das kann platt werden. Dass die Gefahr nie droht, liegt an Mwanza Mujilas dichter Sprache, seinem skurrilen Humor und feinen Schauspielkunst.

Köstlich das literarische Duett über den stillen Ort als Erquickungszone, den die grandiose Julia Franz Richter mit dem unterjochten Uwe Robeck zum Besten gibt. Urkomisch, wie Christoph Schüchner im Astronautengewand hanebüchene Wortkaskaden über Männlichkeit deklamiert. Hinreißend singt Nick Romeo Reimann Alpenschwachsinn samt Jodler. Dem Absurden und Verrätselten beider Texte rückt Claudia Bossard mit leichtfüßigem Witz zu Leibe, der das Gesagte nicht zu erklären versucht. Im gleichermaßen deutungsoffenen Bühnenbild von Elisabeth Weiß erlebt man – nach etwas tranigem Auftakt – einen vergnüglich-bissigen Abend. Kurzer Jubel.

Termine: 22. 2., 26. & 31. 3.
www.volkstheater.at