Das Leben ist so, wie man es gerne sehen möchte. Das legt zumindest das Bühnenbild von Kathrin Frosch nahe, die für Molières „Der Menschenfeind“ ein riesiges, aufblasbares Etwas ganz in Weiß fabrizierte, das die Bühne des Schauspielhauses ausfüllt: Ob sich das Leben nun eher in einer Hüpfburg oder in einer Gummizelle vollzieht, es hängt wohl von der Perspektive ab, wobei Menschenfeind Alceste gewiss für Zweiteres plädierte. Mathias Lodd gibt diesen Alceste, in andauernder Erwartung des Schlechten, eingesperrt in seinen moralischen Rigorismus, entfremdet von einer Welt, für deren Falschheit er nur Hass hat und für deren Schönheit kein Auge. Lodds Alceste ist genervt, angewidert und verbittert, einzig die Zuneigung zur Salonlöwin Célimène lässt hin und wieder ein paar Funken Hoffnung in diesem verwelkten Typen glühen. Henriette Blumenau dominiert mit dieser Célimène das Bühnengeschehen. Sie ist die spitzzüngige Frau im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sie bewegt sich am geschicktesten auf jenem gesellschaftlichen Parkett, das hier zwar nicht glattpoliert, aber doch ausgesprochen schwer begehbar ist. Blumenau hüpft, grimassiert, rangelt, spottet, schwätzt und singt sich in einen komödiantischen Rausch, ohne die Figur der Lächerlichkeit preiszugeben. Ihre Célimène ist eine moderne Frau, die um Stellung und Anerkennung ringt und diese auch behauptet. Selbst nach der finalen Blamage, die ein von ihr mit zahllosen Sottisen gespickter Brief ihr bereitet. Regisseur Markus Bothe lenkt den Blick auf den fulminanten Text des unübertrefflichen Menschenbeobachters Molière und auf seine Figuren. Lukas Walcher ist der von Alcestes Nörglerei schwer geprüfte Freund Philinte, der wiederum in die von Alceste verschmähte Éliante verschossen ist. Daria von Loewenich spielt diese mit wunderbar übertriebener und stilisierter Komödiantik, während Florian Köhler gleich drei komische Typen verkörpert. Franz Solar (Acaste), Oliver Chomik (Clitandre) und Sissi Noé (Arsinoé) komplettieren ein durchwegs exzellente Ensemble an Speichelleckern, Schmeichlern und bigotten Heuchlern, die sich immer wieder mit Kuchen vollstopfen. Am Ende geht dem Bühnengebilde die Luft aus, und die Figuren stehen vor den Trümmern: Nur ein kurzer Moment der Irritation, bevor das Spiel auf den Trümmern wieder weitergeht. Célimène will sich nicht auf Alcestes destruktives Fremdeln mit der Welt einlassen, er zieht von dannen. Ohne Auflösung und ohne einfache Antworten endet der Abend nach fast zwei pausenlosen, hochspannenden Stunden, die Molières Stück auf Hochglanz bringen.