Ich benötige keine Janáček-Oper als Brücke in die Realität.“ Was der deutsche Historiker Karl Schlögel beim Salzburger Festspiel-Symposion sagte, muss man als Kunstliebhaber erst einmal verdauen. Der Russlandexperte, der zu der Veranstaltung „Mythen & Realitäten, Europa-Projektionen und das Ende des Westens“ eingeladen war, meinte das aber keinesfalls kunstfeindlich. Er betonte damit eher, dass es angesichts des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine keiner Umwege über die Kunst bedürfe, um Stellung zu beziehen.

Anna Netrebko, seit ihrer Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“ 2002 der Liebling in Salzburg, wurde wegen ihrer ungeschickten bis naiven Korrekturversuche ihrer Haltung zur seinerzeitigen Krimannexion, zum Ukraine-Krieg und zu Putin fast allerorten geächtet. Die österreichisch-russische Starsopranistin, sonst Dauergast, war für heuer an der Salzach aber ohnehin nicht vorhergesehen. Umso erstaunlicher, dass die vermeintliche Bruchstelle hielt: Dass es den Festspielen gelang, die Diskussionen über Teodor Currentzis nicht noch einmal hochkochen zu lassen, war keine kleine Leistung. Denn der russisch-griechische Dirigent und der italienische Regisseur Romeo Castellucci, seit mehreren Jahren zwei tragende Pfeiler in der Festivalarchitektur, boten eigentlich auch ziemlich viel Angriffsfläche für jene, die politischen Anstand und ethische Glaubwürdigkeit hinterfragten. Bis auf ein paar kleine Sticheleien im Vorfeld aus dem Blätterwald blieb es aber überraschend still.