Keine Verschärfungen, aber auch keine Lockerungen. Der Corona-Gipfel der Regerung am Montag hat für die Kunst und Kulturszene keine Veränderungen gebracht: Kinos. Bühnen und Konzertsäle bleiben bis auf weiteres geschlossen. "Natürlich ändern wir unserer Pläne von Woche zu Woche", sagt Bernhard Rinner, als Geschäftsführer der Grazer Bühnen (Oper, Schauspielhaus, Neyt Liberty, Orpheum & Co.) Chef des größten steirischen Bühnenbetriebs, "aber langsam nähern wir uns der herausfordernden Frage: Ist eine Rumpfsaison von acht, sechs oder gar nur vier Wochen im Mai und Juni überhaupt noch sinnvoll?" Pro Haus sind derzeit vier bis fünf Produktionen fertig geprobt und wären in maximal zwei Wochen Vorbereitungszeit aufführungsreif:  "Nun müssen wir überlegen, ob wir damit die nächste Saison erweitern und ergänzen oder ob wir etwas davon streamen. Das wäre aber, wie wir wissen, nur ein tönernes Ersatzmodell." Absolute Publikums-Obergrenzen lehnt Rinner ab: "In einem Haus wie der Oper, das vor dem Lockdown wenigstens noch 650 Besucher zulassen durfte, vor nur 100 Personen spielen zu dürfen wäre ein Affront. Die Limits  müssen  wirtschaftlich vertretbar sein." Er hofft auf die im Herbst bewährten Präventionskonzepte.

Insgesamt beschäftigen ihn gerade drei Fragen, sagt Rinner: "Was spielen wir, mit wem spielen wir, wo spielen wir?" Die überdachte Open-Air-Kasemattenbühne auf dem Grazer Schloßberg, sein "Glücksfall als Backup", sei im Sommer ausreserviert. "Sollte es da noch Rückzieher von Konzertveranstaltern geben, ist jedenfalls zu klären, wie lange wir laut Kollektivvertrag in den Sommer hineinspielen dürfen."

Ähnliche Terminfragen beschäftigen Musikvereins-Chef Michael Nemeth: Nach den aktuellen Entwicklungen "liegt es leider auf der Hand, dass wir unsere für April geplanten Konzerte im April absagen", berichtet er. "Aber wir bleiben optimistisch und pumpen all unsere Kraft in die nächste Saison." Das Programm soll am 14. April veröffentlicht werden: "Das Wichtigste, das wir jetzt machen können, ist unseren Publikum eine Perspektive für die Saison 2021/22 zu geben." Im Bewusstsein, dass es auch im Herbst noch Schwierigkeiten geben könnte, plane man mit Adaptierungsmöglichkeiten, "abgesehen davon könnten wir mit entsprechender Vorlaufzeit das Programm für Mai und Juni noch aktivieren", glaubt Nemeth, "auch wenn es zu größeren Publikumsbeschränkungen kommt."

Zuerst kommt der liebe Mai...

Auch er hofft, "dass die bewährten Covid-Konzepte erneut zur Anwendung kommen und wir nicht wieder bei Null beginnen müssen" - das jüngst erfolgte Test-Konzert der Berliner Philharmoniker vor 1000 Zuhörern  habe jedenfalls gezeigt, dass der Kulturbetrieb an sich keine Gefahr darstellt. Ansonsten hoffe er "auf eine massive Steigerung der Impfrate, weil das die Sicherheit eines Konzerts sicher noch steigert." Outdoor-Konzerte im Sommer schließt er dagegen eher aus: "Unsere Saison endet mit Juni, danach überlassen wir das Feld der styriarte. Das ist seit Jahrzehnten gelebte Praxis." Allerdings: Nemeth könnte sich vorstellen, "dass wir die nächste Saison früher beginnen. Wir sind in allem flexibel und hoffen auf eine planbare Situation zumindest nach dem Sommer."

Das Grazer Theater im Bahnhof hat derweil bereits einen neuen Slogan: "Zuerst kommt der liebe Mai und dann kommt endlich das Theater", so steht's in großen Lettern auf der Homepage zu lesen. "Reine Spekulation", konzediert Schauspielerin Eva Hofer, weil man im TiB pragmatisch hofft: "Irgendwann  müssen die Theater ja wieder aufsperren dürfen, also haben wir beschlossen: Wir setzen auf den Mai, haben dafür schon die Spieltermine festgelegt und frischen bis dahin unser fertig geprobtes Stück ,Wir begehren' auf. Daneben beginnen wir an allen Ecken und Enden kreativ zu sein und für unsere Sommerproduktion ab Ende Juni zu schreiben und zu proben. Wir wollen jedenfalls für die Möglichkeit, outdoor zu spielen, bereit sein."

Auch die Rabtaldirndln haben bereits vor Wochen beschlossen, "dass wir alles auf den Sommer ausrichten" erzählt Gudrun Maier. Dabei hätte das Performerinnen-Kollektiv seine Outdoor-Performance "Sternsingerinnen" sogar schon ab Februar angesetzt gehabt, "aber wir durften es bisher nicht aufführen", erzählt Maier. Ironie des Schicksals: Die für alle Witterungsverhältnisse taugliche Produktion im öffentlichen Raum wäre schon für etliche Gastspiele eingeladen gewesen, "weil wohl viele unserer Partner das auch unter strengen Covidbestimmungen für machbar hielten", so Maier. Mittlerweile fokussieren sich die Rabtaldirndln auf ihre Sommerprojekte, die ab Juni im Hoftheater Hainersdorf und im Grazer Volkshaus laufen sollen: "Hoffentlich können wir wenigstens dann spielen." Digitale Projekte wollen sie sich nicht vornehmen: "Wir brauchen die Leute."

Plan B muss auch planbar sein

Dieter Tschmelak, Betreiber des Grazer ppc, in dem vor den Lockdowns fast täglich Konzerte stattgefunden haben, ist kein ausgewiesener Pessimist, allerdings: "Für das heurige Jahr habe ich keine großen Hoffnungen mehr - das ist wohl gelaufen." Als Veranstalter von Indoor-Stehkonzerten hat es Tschmelak besonders schwer. "Meine große Sorge ist, dass die bestehenden Infrastrukturen in der Clubszene zerstört werden."

Kurzfristig hat auch Tschmelak einen "Plan B" in der Tasche. "Das eine oder andere Konzert werden wir im Sommer im Freien, möglicherweise auf den Kasematten, veranstalten können. Hier gibt es auch eine gute Zusammenarbeit mit anderen Veranstaltern und Organisatoren. Aber, so Tschmelak, "auch ein Plan B muss planbar sein". Auch er bringt die viel zitierte Planungsunsicherheit ins Gespräch. "Es geht einfach nicht, uns zu sagen, dass wir in zwei, drei Wochen schauen, wie es weitergeht. So können wir nicht arbeiten."

Auch "Kleinveranstalter" Joachim Steinacher steht vor einem Dilemma. Grundsätzlich ist es ihm zuwider, nichts zu tun und über bestehende Schwierigkeiten zu jammern. Allerdings: "Im Grunde kann auch ich nur warten." Das große Problem: "Ein Ausweichen ins Freie ist zwar grundsätzlich möglich. Allerdings bräuchten wir auch dafür eine gewisse Planungssicherheit bzw. konkrete Ansagen." Sprich, wenn Steinacher jetzt ein Open-Air-Konzert plant, weiß er derzeit auch nicht, wie viele Zuschauer erlaubt sind - und ob sich die Veranstaltung dann überhaupt noch rechnet." Steinacher: "Viele Veranstalter überlegen sich, welche Alternativen es gibt. Aber das Problem ist, dass wir derzeit keine Veranstaltungen planen können - weder Indoor noch im Freien." Und deshalb herrsche allerorten die Devise: wohl oder übel abwarten.