Wenn sich zum Finale eine Figur namens Himmlisch ein lebendes Huhn unter den Arm klemmt und genießerisch verkündet, wie er es gleich schlachten, ausnehmen und zerstückeln wird, fürchtet man nicht nur um das Leben der Henne, die da zutraulich den Hals reckt. Man weiß auch, welches Schlachten sich da in der Fantasie des Mannes eigentlich anbahnt. Mit Rainer Galkes Auftritt weicht in George Taboris „Mein Kampf“ jede Komik blankem Grauen.

Das ist die Wende und die größte Pointe im Stück des großen Theatermachers, das 33 Jahre nach seiner legendären Uraufführung am Wiener Akademietheater am Freitag an der Burg Premiere hatte.

„Mein Kampf“: 1987 war das ein Tabubruch. An dem Stück entbrannte eine hitzige Diskussion über die Frage, ob man über Hitler lachen darf; ob sich über die Katastrophe des Holocaust an den Grenzen von Humor und Horror sprechen lässt. Tabori selbst hat über das Lachen gesagt, es sei „ebenso existenziell befreiend wie Weinen“. Insofern lässt sich „Mein Kampf“ als Versuch lesen, das Grauen erträglich und damit diskutierbar zu machen.
Taboris Trick war es, mit viel Slapstick, klugem Schalk und ausgesucht langbärtigen Witzen dafür zu sorgen, dass das Publikum „Mein Kampf“ lustig findet, auch wenn der Ausgang der Geschichte schrecklich klar ist.

Das Stück erzählt von einem Juden, der sich im Männerwohnheim in der Wiener Meldemannstraße eines jungen Möchtegernkünstlers aus der Provinz annimmt. Hitler hat als junger Mann in dem Heim gewohnt, diese historisch belegte Tatsache benutzte Tabori, um in der Farce Hitler mit Schlomo Herzl zusammenzuführen, der ihn bemuttert, ihm Manieren beibringt, seine Wortgewandtheit schärft und ihm gar den Bart stutzt.

Herzl tut Gutes und erschafft dabei ein Monster. „Ich war zu dumm zu wissen, dass manche Menschen Liebe nicht ertragen können“, wird er am Ende feststellen, dann, wenn alles Gelächter der Erschütterung gewichen ist.

Dieses Finale hat Regisseur Itay Tiran atemberaubend ausgestaltet, als Totentanz und makaberen Rausch, mit Galke als lüsternem Schlächter, mit Hanna Holsdorf, die vom goldenen Kind zur deutschen Grete mutiert, und vor allem mit Sylvie Rohrer, die als geschäftige Frau Tod anreist, um einen zukunftsträchtigen Businesskontakt zu treffen, und dabei in beunruhigend insektenhafter Anmut das Stück ein paar Minuten lang an sich reißt.

Dem taborischen Witz aber scheint diese Inszenierung ansonsten nicht ganz zu trauen, etliche Pointen wirken verhuscht, verschoben, unentschlossen, auch wenn Marcel Heuperman die aufkeimende Monstrosität des an Dauerverstopfung leidenden bäuerischen Tölpels Hitler grandios ausstellt und Oliver Nägele als Koch Lobkowitz wundersam weisen Witz verbreitet.

Das Herz der von Jessica Rockstroh in einen engen Nut- und Federbretterverschlag gesteckten Inszenierung ist der hinreißende Markus Hering, der als Herzl aus dem noch ziellos vor sich hin geifernden Klotz Hitler ein fühlendes Wesen zu formen versucht. Zwischen den Szenen sieht man ihn auf der sepiafarben verdunkelten Bühne ein paar Mal seine Mitspieler und die Requisiten umarrangieren: als müsse er immer und immer wieder seinen persönlichen Groundhog Day durchleben, bis er endlich das Richtige tut und die Geschichte sich nicht mehr wiederholen muss. Sieht nicht so aus, als ob das bald gelänge.

Mein Kampf. Von George Tabori. Regie: Itay Tiran. Bühne: Jessica Rockstroh. Kostüme: Su Sigmund. Mit: Markus Hering, Oliver Nägele, Marcel Heuperman, Hanna Hilsdorf, Sylvie Rohrer, Rainer Galke.
Termine: 10., 12. 17., 21., 31. Oktober, 6., 13., 15., 21., 25. November. Burgtheater Wien. Tel. 01 51444 4545, www.burgtheater.at