"Es mag ja sonderbar klingen. Aber manchmal möchte ich unheimlich gerne wissen, ob gerade jetzt irgendwo auf der Welt mein Stück gezeigt wird. Vielleicht in Asien oder gar auf einer Insel in der Karibik, auf jeden Fall würde ich kein Wort verstehen, obwohl ich es ja geschrieben habe.“ Das sagte Peter Turrini einmal in einem vorweihnachtlichen Gespräch über seinen berührenden Christmas-Klassiker „Josef und Maria“. In mehr als 20 Sprachen wurde der Gegenwartsklassiker übersetzt, rund um den Erdball ist er seit fast 40 Jahren ein Dauerbrenner auf den Dezember-Spielplänen.
In einer Hinsicht gibt es auch geografische Gewissheit. In der Tat glücklich und geglückt gelandet ist sein oft auch als Weihnachtsmärchen ausgewiesenes Stück fast vierzig Jahre nach der Uraufführung beim „steirischen herbst“ im Grazer Schauspielhaus.

Seelenmusik

Es ist Seelenmusik, die Peter Turrini in wunderbare Worte fasste, keines ist fehl am Platz; und es ist eine zeitlos gültige Parabel über Einsamkeit, fehlende Nächstenliebe und die Gnade des kurzen, späten Glücks. Regisseur Michael Schilhan beweist imposantes Einfühlungsvermögen, um dieser Sprachmelodie in Dur und Moll die richtigen Schwingungen zu verleihen.

Empfangen wird das Publikum schon vor Beginn der Aufführung mit Tondurchsagen aus einem Großkaufhaus; permanent werden Sonderangebote angepriesen. Und ein Konsumtempel ist es ja auch, der nach dem Ende des letzten Einkaufsrummels am Weihnachtsabend ein anfangs völlig ungleiches Paar zusammenführt. Was die beiden aber eint, ist die Tatsache, dass sie Randexistenzen sind, gealterte Auslaufmodelle auf dem Abstellgleis. Maria verdient sich ein paar Groschen als Gelegenheitsputzfrau dazu, Josef dreht als Nachtwächter seine Runden. Falls es jemals in ihrem Leben ein ohnehin nur flackerndes Licht der Hoffnung gab, wurde es von der Realität längst ausgeblasen.

Virtuose Vielseitigkeit

Was bleibt, sind rührende Versuche, Fragmenten der Erinnerungen nachträglich schöneren Schein zu geben. Maria schwärmt von ihren Zeiten als Balletttänzerin in Tirana, Josef, „Freidenker“ und Kommunist seit frühen Jugendtagen, glaubt hartnäckig an den Sieg des Proletariats. Der Weg der Tragikomödie geht von außen nach innen, Franz Solar als Josef und Margarethe Tiesel beschreiten ihn im stimmungsgerechten Bühnenbild von Anne Marie Legenstein, reich an falschem Glitzer und trostloser Nüchternheit, mit virtuoser Vielseitigkeit.

Peter Turrini gewährt seinen leidgeprüften, lebensechten Menschengestalten viel Humor und Situationskomik, aber speziell in den Anfangsepisoden sind es häufig nur Versuche, die Verzweiflung und die Schicksalsschläge zu überspielen.

Theatergeschenk

Unsichtbar im Raum steht ein Gefühls-Öfchen, in dessen Nähe ausgemusterte Menschen kurze Zeit das Frieren vergessen. Dass daraus viel Herzenswärme wird, ist allen Beteiligten zu verdanken. Ein großes Theatergeschenk, subtil verpackt, vom Publikum durch Standing Ovations gewürdigt.

Josef und Maria. Schauspielhaus Graz. Weitere Termine: 10., 11., 13., 18., 21.12. (19.30 Uhr).