Im Frühjahr zwang ihn eine Knieoperation aufs Sitzfleisch. Das hat ihn getroffen, er braucht die Unrast. Theater, Fernsehen, Kino. Regie führen, Musik machen. Zum Ausgleich aufs Fahrrad, aufs Motorrad, aufs Feld. (Er ist schließlich auch Bauer.)

Größer als Tobias Morettis Abenteuerlust scheint nur seine Präsenz auf Bühnen, Monitoren, Leinwänden; er war schon König Ottokar und Faust, Hitler, Andreas Hofer, Erzherzog Johann, Long John Silver und der Polizist vom Hund. Derzeit probt er für die Wiederaufnahme des Salzburger„Jedermann“, den er seit 2017 spielt, bei Haymon ist unlängst seine Bearbeitung des hofmannsthalschen Texts erschienen. (Autor ist er also auch noch.)

Die Lust, sich mit dem Drama und der wahrscheinlich prominentesten Rolle des österreichischen Theaters zu befassen, sei aus einer „Mischung von Faszination, Angst und Überlebenstrieb“ heraus entstanden, schreibt er im Nachwort des Buchs; man kann sich das auch als künstlerische Richtschnur vorstellen. Moretti, am 11. Juli 1959 als Tobias Bloéb in Tirol geboren, war, nach Musikstudium in Wien und Schauspielstudium in München, schon ein bekannter Theaterdarsteller, als er mit „Kommissar Rex“ dem TV-Publikum bekannt wurde.

Eine Rolle, die er nach vier Staffeln hinter sich ließ; der charismatische Schauspieler fand genug anderes zu tun – siehe oben. Das hat wohl mit Glück zu tun, aber auch mit Beharrlichkeit, Können und, nicht zu vergessen: Starpower. Die hat er auch schon weitergegeben: Mit Ehefrau Julia, einer renommierten Oboistin, hat der Schauspieler drei Kinder, seine älteste Tocher Antonia beweist seit einiger Zeit dramatisches Talent und war zuletzt im Thriller „Die letzte Party deines Lebens“ und in der TV-Serie „Der Pass“ zu sehen.

Zuletzt hat Moretti auch selbst wieder viel gedreht: Demnächst ist er in Terrence Malicks„Ein verborgenes Leben“ als hilfloser Dorfpfarrer in Auseinandersetzung mit dem Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter zu sehen. In Gregory Kirchhoffs unlängst abgedrehtem Kinofilm „Baumbacher Syndrome“ spielt er einen Talk-Show-Moderator, der eines Morgens unverhofft mit zauberhaft tiefer Stimme aufwacht und über Nacht weltberühmt wird. In Christian Schwochochws Literaturverfilmung „Deutschstunde“ nach Siegfried Lenz' gleichnamigem Roman wird er als Emil Noldes Alter Ego Max Ludwig Nansen zu erleben sein. Und in Hüseyin Tabaks Drama „Gipsy Queen“ spielt er, mit blondiertem Schopf, den abgehalfterten Boxtrainer einer alleinerziehenden Roma-Mutter.

Und: Neuerdings führt ihn das Burgtheater unter seinem neuen Direktor Martin Kušej als Ensemblemitglied. Ein neues Abenteuer also, pünktlich zu Beginn des nächsten Lebensjahrzehnts, und vielleicht das beste Geburtstagsgeschenk für einen Charismatiker, vor dessen anhaltender Reflexions- und Risikobereitschaft auch markante Jubiläen eher marginal wirken.