Die Sehnsucht nach dem anderen, wilderen Leben, sie hat schon manchen ins Schlamassel geritten – wenige aber in so fantastisch komischer Konsequenz wie den biederen Gewürzkramergehilfen Weinberl in Johann Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“. Der möchte wenigstens einmal im Leben ein verfluchter Kerl sein, ehe ihn die anstehende Beförderung zum Kompagnon zu lebenslänglicher Rechtschaffenheit verdammt.

Also nutzt er eine Abwesenheit seines Herrn, um in der Großstadt Aufregendes zu erleben, und bekommt vom Schicksal eine Ereignis-Überdosis inklusive Verfolgungen, Verwechslungen, Verhaftungen, Kidnapping und Einbruch serviert. Dominique Schnizer, der dem Grazer Schauspielhaus schon im Vorjahr mit „Der Talisman“ einen Quotenbringer beschert hat, zeigt nun auch den „Jux“ als gut geölte Pointenmaschine.

Dass er darauf verzichtet, jeden einzelnen Wortwitz zu feiern, jeden Running Gag zu Tode zu reiten, tut dem viel gespielten Stück gut, dass die Regie den sichtlich gut aufgelegten Schauspielern enorm viel Raum für Körperkomik und Übertreibungslust lässt, nicht immer. Und doch gelingt Franz Solar inmitten des burlesken Traras ein zutiefst menschlicher Weinberl an der Grenze zur Schwermut; von der eigenen Unternehmungslust quasi überwältigt, stolpert er durch monochrom düstere Räume (Bühne und Kostüme: Christin Treunert) und von einem Abenteuer ins nächste, stets begleitet von der heiligen Einfalt in Gestalt seines Lehrlings Christopherl (Clemens Maria Riegler).

Im recht traditionellen Setting setzt die großartige Livemusik von Bernhard Neumaier gegenwärtige Akzente, reißen Stefanie Sargnagels neue Coupletstrophen die Inszenierung mit scharfen Witzen über politische Trends und bürgerliche Geistesträgheit aus allzu viel Possierlichkeit. Daneben bestechen Rudi Widerhofer als Hausknecht voll komischer Würde, Werner Strenger als sauertöpfischer Krämer, Evamaria Salcher als temperamentvolle Witwe und Anna Szandtner als Modistin mit stets gut gepflegtem Damenspitzerl.

Den größten Lacherfolg des Abends aber erntet Franz Xaver Zach, der als träumerisches Fräulein Blumenblatt von fülliger Grandezza Lanzen für die Liebe bricht – sehr gelungen, auch wenn man sich langsam die Frage stellen kann, warum am Grazer Schauspielhaus so häufig ältere Herren ältere Damen spielen (siehe Gerhard Balluch 2017 in „Bernarda Albas Haus“, Franz Solar Anfang des Jahres in „Tartuffe“). Langer Applaus für einen flotten, gagreichen und gewiss publikumsträchtigen Abend.