Der Anfang täuscht. Es bleibt nicht lange so gefällig wie in den ersten Minuten im Salzburger republic, als Samuel Finzi in silbernem Anzug mit Liberace-Brille und Cowboystiefeln das Cello zu Barmusik streicht. Dem Piano fehlt die Verschalung, und so werden einem seltene Einblicke ins nackte Eingeweide gewährt. Ein metaphorisches Bild für die folgende selbstbezichtigende Innenschau der Figur des Stand-up-Comedians Dovele Grindstein. Eine mit Anlauf.

Im gnadenlosen Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ lässt der israelische Schriftsteller David Grossman diesen Dovele Bilanz ziehen. Zur Urteilsfindung hat er einen alten Jugendfreund geladen. Der Abend mutiert zur Lebensbeichte, zur Abrechnung mit sich selbst, dem Publikum, seiner Familie und seinem Land. Das Buch ist wie eine stete Überschreitung, das erzeugt Sogwirkung.

Dusan David Parízek verzichtet bei der Dramatisierung bei den Salzburger Festspielen auf den Erzähler. Stattdessen setzt er die Zuschauer als Richtende über den Mann, der sich selbst anklagt. Der Fokus liegt auf Dovele und seinem Schuldgefühl, das darauf fußt, dass er, 14-jährig, auf einer schicksalhaften Autofahrt nicht wusste, ob Mutter oder Vater tot sind, und er beide tot wähnte.

Samuel Finzi mault in seiner Darstellung eines Darstellers nonchalant ins Publikum, schimpft auf mit Botox aufgespritzte Lippen in der einen Reihe und verkleinerte Brüste in einer anderen. Die vulgären und die inkorrekten Witzchen, sie sitzen. Von der Vorhaut bis zum Massenmörder Josef Mengele. „Wer ist 57?“, ruft er. Der möge die Hand heben. „Es muss nicht unbedingt die rechte sein.“ Nicht allen ist diese Art von Humor geheuer. Jeder verfrühte Abgang wird mit einem Kreidestrich auf dem Bühnenboden festgehalten. Viele sind es nicht.

Es kracht draußen und drinnen


Auf der maximal reduzierten Bühne (Parízek) mit einer nach hinten gekippten Bretterwand spielt und springt Finzi mit seinem Schatten, später mit seinem Video-Ich. Als er vom Verrat an seinen Eltern berichtet, haut er sich gegen die Wand und prügelt auf sich ein. Eine Kamera wirft den blutigen Akt der Selbstanklage überdimensional groß auf die Wand. Es ist einer der eindringlichsten Momente des Abends. Und während draußen Mittwochabend über Salzburg ein Gewitter niedergeht, kracht es auch drinnen, als die Wand zu Boden donnert und zur nur minimal erhobenen Drehbühne wird. Darauf ist Dovele auf sich zurückgeworfen, die Barrieren sind gefallen. Seiner Untergangshaltung stellt der Regisseur das Prinzip Hoffnung in Person der früheren Nachbarin und reinen Seele Pitz zur Seite. Mavie Hörbiger glaubt an den Burschen von damals. In viel zu großem Anzug tapst sie über die Bühne, sie bleibt jedoch nur Beiwerk.

Eindringlich wird es, wenn Finzi zum Monolog anhebt, furios fiebrig durch seine und unsere Gemütszustände reitet. Viel Beifall. Ab 5. September am Akademietheater Wien.