Sie sind gekommen, um bespaßt zu werden. Aber der Abend endet wie ein Witz ohne Pointe. Alles, was das Publikum in David Grossmans scharfsinnigem und grausam komischen Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ serviert bekommt, ist ein Performer aus der Hölle bei seinem letzten Auftritt. Ein Possen reißender Stand-up Comedian, eine Publikumshure, ein „siebenundfünzigjähriges Kind, ein vierzehnjähriger Greis“. Dieser Dov, genannt „Dovele“, Grinstein ist ein Alleinunterhalter, der mehr alleine ist als unterhält. Einer, der an diesem Abend seine große Lebensbeichte ablegt. Eine, die zum Befreiungsschlag wird – vor den Zuschauern.

Der 2017 mit dem Man Booker International Prize ausgezeichnete Autor seziert eindringlich Fragen von Schuld, Sühne und Vergebung. Bei den Salzburger Festspielen erfährt der Roman heute seine deutschsprachige Premiere – und die lässt sich auch der Schriftsteller und eine der wichtigsten intellektuellen Stimmen Israels nicht entgehen. „Normalerweise rate ich Regisseurinnen und Regisseuren, die meine Bücher auf die Bühne bringen wollen, immer, sich das zwei oder sogar drei Mal zu überlegen“, erzählt Grossman nach einem Probenbesuch über den Dächern der Festspielstadt. „Aber in diesem Fall ist es sehr erfreulich zu sehen, wie die Figur, die ich erschaffen habe, durch Samuel Finzi lebendig wird. Ich brauche immer 1000 Worte für eine Sekunde Wahrhaftigkeit.“

„Wir sind auf dem falschen Weg“

Sein Buch sei keine Allegorie über Israel. Er erzählt die Geschichte eines Mannes, der sozusagen „parallel zu sich selbst“ lebe. „Wir alle kennen solche Menschen, die gefangen sind in ihrem Leben: in der falschen Ehe, im falschen Job, vielleicht sogar im falschen Geschlecht“, sagt der 64-Jährige. „Und das gilt nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für Nationen und Gesellschaften.“

Regisseur Dusan David Parizek, dessen Inszenierung von „Die lächerliche Finsternis“ von Wolfram Lotz am Wiener Akademietheater begeisterte, betonte die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit Grossmans Werken. „Sie sind Erfahrungsberichte aus dem richtigen Leben“. Denn das, was wir als Ausnahmezustand empfänden, sei in Israel Alltag. Und zwar seit 51 Jahren, seit dem Sechstagekrieg 1967. Seit damals sehnt sich Grossman nach Frieden. „Ich habe es nie erlebt, keinen einzigen Tag. „Wir sind auf dem falschen Weg.“ Gefangen in Angst, mutiert zu Kriegerinnen und Kriegern.

Samuel Finzi, dessen halbe Verwandtschaft in Israel lebt und dem dieses Land „nicht fremd“ sei, verkörpert Dovele. Allein fühle er sich nicht. „Es ist ein Gespräch mit dem Publikum.“ Denn, so viel verrät Regisseur Parizek vorab: „Die Dramatisierung beinhaltet einen Perspektivenwechsel: Alle Zuschauer sitzen zu Gericht über Dovele. Und dieser tritt in einen Dialog mit „Pitzkele“, der reinen Seele – verkörpert von Mavie Hörbiger.