Die Bibel zählt die den meistverkauften und bekanntesten Büchern der Welt. Dass ihre Inhalte uns noch immer angehen, versucht Regisseur  Volker Hesse nun am Grazer Schauspielhaus zu belegen. Im Vorjahr hat Hesse in Graz für eine  stringente und dabei hoch artifizielle Interpretation von Ayad Akhtars Anpassungsdrama "Geächtet" gesorgt. "Altes Testament - Aus dem Tagebuch der Menschheit" nennt sich nun der Galopp, den Hesse gemeinsam mit zwölf Schauspielern und fünf Musikern durch das biblische Geschehen unternimmt.

Bühnen- und Publikumsraum werden dafür zu einem einzigen großen, mit weißen Stoffbahnen abgehängten Raum umgebaut. Dieses weiße Oval fungiert auch als enorme Projektionsfläche, für überlebensgroße Live-Videos der Akteure, aber auch für Bilder von Flüchtlingen, Erdölpumpen, Kriegsruinen, urbanen Schlachtfeldern (Videodesign: rocafilm). So kommt garantiert niemand auf die Idee, das, was in der Bibel steht, könnte mit uns und den Fragen unser Zeit nichts zu tun haben.

Schöpfungsgeschichte, Brudermord, Sintflut, Turmbau zu Babel, Abraham, Isaak, der Bruderzwist zwischen Esau und Jakob, das ägyptische Exil der Israeliten, 40 Irrjahre in der Wüste, die zehn Gebote, das goldene Kalb, Hiob und Hohelied: In atemberaubenden Tempo jagt die Erzählung in immerhin fast dreieinhalb Stunden durch ein Mythengeflecht, das zu einer der wesentlichen Quellen der abendländischen Kunst, Literatur und Musik geworden ist.

Hesse erzählte vorab, er wolle durch die Auflösung von Bühne und Zuschauerraum ein  "gemeinsames Erleben" provozieren, "das in großer Nähe zueinander stattfinden soll". Die Fantasie sollte anders befeuert werden "als durch eine bloße passive Aufnahme des Geschehens." De facto erlebt man die Bibel als bunt illustriertes Bilderbuch, als Chronologie patriarchaler Unzulänglichkeit.

Das ist recht plakativ und durchwegs erstaunlich flüchtig, aber  zumindest ziemlich unterhaltsam, zumal Hesse seine Revue ausgesprochen vielfarbig anlegt: Zuschauer werden ins Geschehen eingebunden, die Drehbühne fungiert ein paar magische Momente lang als Arche, zwei Psalmen mutieren zu Rockballaden, der Tanz ums Goldene Kalb zum ausgelassenen Clubbing.

In vielen unterschiedlichen Rollen glänzen die zwölf Akteure um Gerhard Balluch, Florian Köhler, Julia Gräfner, Anna Szandtner, Benedikt Greiner, Pascal Goffin; mit Klezmer- und Tangoklängen bringt ein Quintett um Reinhard Ziegerhofer den Abend musikalisch zum Schwingen. Ans Eingemachte geht dieses "Alte Testament" trotz überdeutlicher Zeitbezüge aber nicht wirklich, die Mythenmaschine läuft sich nicht warm, und die religiöse Wucht, die diese Geschichten jahrtausendelang am Leben hielt, versickert in der allzu anekdotischen Form dieser Inszenierung.