Nach zehn Jahren als Intendantin und Generalmusikdirektorin an der Hamburgischen Staatsoper sind Sie jetzt als freie Dirigentin in aller Welt zu Gast. Genießen Sie dieses neue Leben?

SIMONE YOUNG: Es war eine tolle und anstrengende Zeit. So etwas macht man, solange man jung ist und Energie hat. 2015 konnte ich auf 30 Jahre als Dirigentin und Direktorin zurückblicken und hätte meine Partituren in den Schrank stellen, mich ausruhen und hie und da wieder für ein weiteres Dirigat herausnehmen können. Aber dafür bin ich ja nicht Musikerin geworden. Ich möchte jetzt mit meiner Erfahrung frisch an neue Projekte herangehen und mir die Zeit nehmen, das ausführlich und mit Lust zu tun.

Sie dirigieren nun an der Staatsoper „Der Spieler“, Sergej Prokofjews Oper, die auf dem gleichnamigen Roman von Dostojewski basiert. Was interessiert Sie an diesem Werk?

SIMONE YOUNG: Das war schon lange mein Wunsch. Ich habe eine Vorliebe für wenig bekannte, anspruchsvolle Werke, das kann ich jetzt ausleben, da ich nicht mehr für ausbalancierte Spielpläne sorgen muss. Ich freue mich auch, wieder mit Regisseurin Karoline Gruber zu arbeiten.

Wie charakterisieren Sie den „Spieler“ musikalisch?

SIMONE YOUNG: Viele kennen Prokofjews Ballettmusik „Romeo und Julia“, doch damit hat es fast gar nichts gemeinsam. Er war noch jung und wollte mit allen Traditionen brechen. „Der Spieler“ ist noch nicht modern, aber auch nicht spätromantisch. Eigentlich hätte die Oper 1917 uraufgeführt werden sollen, aber nicht zuletzt wegen der Oktoberrevolution war das erst 1927 möglich. Die Musiksprache ist faszinierend und facettenreich, es ist eine Art bebilderte Musiksprache, es gibt keine romantischen Passagen, keine Arien, keinen Chor. Prokofjew wollte keine Nummernoper schreiben, sondern Szenen. Es ist ein Konversationsstück, sehr eng an diesem poetischen Text komponiert. Für mich ist es Musiktheater im besten Sinn. Und in Wien haben wir das große Glück, eine hervorragende Besetzung zu haben mit Misha Didyk, Elena Guseva oder Linda Watson. Ich möchte alle einladen: Haben Sie Mut und kommen Sie!

Ihre nächsten Projekte?

SIMONE YOUNG: Auf jeden Fall bleibe ich Wien, München, Zürich und Berlin treu. Dann gibt es jährlich eine Tournee durch meine Heimat Australien, und in Lausanne werde ich Gastdirigentin beim Orchestre de chambre sein, ein phantastisches Kammerorchester. 2018 gibt es in München „Aus einem Totenhaus“ von Leoš Janáček in der Regie von Frank Castorf. Und natürlich werde ich wieder Wagner, Bruckner, Mahler, Hindemith und Messiaen dirigieren und unbedingt auch zeitgenössische Musik. Das ist mir sehr wichtig.