Bereits Gerold Ebner, die Hauptfigur von Hans Platzgumers hochgelobtem Roman „Am Rand“ (2016), saß ebendort, verfasste seine Erinnerungen – und wollte sich dann in die Tiefe stürzen. Und daran, dass er als Künstler und wohl auch als Mensch nur eine klägliche Randerscheinung ist, arbeitet sich auch Andreas Bogner ab, die Titelfigur von Platzgumers neuem Roman „Bogners Abgang“. Dass der Autor diesem Buch ein Zitat seines Autorenkollegen und Gerichtspsychiaters Reinhard Haller vorangestellt hat, in dem es um die Macht der Kränkung geht, ist natürlich kein Zufall.

Man wird als Leser nicht wirklich warm mit diesem Andreas Bogner, der zwischen Selbstmitleid und Selbstüberschätzung taumelt. Das mag auch daran liegen, dass sich Bogner selbst zeitlebens nicht nahekommt und stets möglichst weit aus dem Weg geht. Seine Selbstfindung als Künstler nimmt pathologische Züge an, Bogner inszeniert ein bizarres Experiment, das allerdings eine bittere Erkenntnis bringt: Auch die Todesnähe macht keinen besseren Künstler aus ihm.

Mit großer sprachlicher Gelassenheit und feinem Gespür für emotionale Schieflagen transportiert Platzgumer dieses Porträt eines zerrütteten Künstlers und verknüpft es mit einem spannenden, fintenreichen Kriminalfall. Eine junge Studentin wird zum moralischen Gegenpol Bogners; ein raffiniertes Verwirrspiel aus Schuld, Sühne und Verantwortung nimmt Fahrt auf. Am Ende des Weges steht, wie so oft, die Frage: Was ist das Richtige?

Hans Platzgumer ist mit seiner Welt- und Genreoffenheit eine Ausnahmeerscheinung in der österreichischen Musik- und Literaturszene. Viele seiner Figuren verfangen sich in einem oft unentwirrbaren Netz aus Egozentrik, seelischer Unbehaustheit und moralischem Wankelmut. Der Mut, den Blick in die eigenen Abgründe zu werfen und dort nach Lebensmüll zu suchen, fehlt ihnen oft.

Auch Platzgumer schwankt – wie der Leser – zwischen Nähe und Distanz zu diesem Andreas Bogner, der seinen Abgang wort- und gestenreich zelebriert und sich gerne zwischen Genie und Wahnsinn positioniert. Auch wenn die eingangs erwähnte Kränkung eine Rolle spielt in diesem verhatschten Künstlerleben, den größten Schaden hat Bogner sich selbst zugefügt. Und am Ende steht noch eine Erkenntnis: jene, dass meist weder Genie noch Wahnsinn im Spiel sind, sondern glanzlose Mittelmäßigkeit vorherrscht. Und das ist wohl die tiefste Kränkung von allen – nicht nur für Andreas Bogner.

© KK

Buchtipp. Hans Platzgumer. Bogners Abgang. Zsolnay,
141 Seiten, 20,60 Euro.