Es ist ein erzählerisches Labyrinth, das sich im neuen Roman von Ingo Schulze auftut, aber der Zutritt könnte verführerischer nicht sein. Am Beginn steht die Geschichte des Dresdner Buch- und Antiquarienhändlers Norbert Paulini, der sich inmitten von kostbaren Raritäten und exklusiven Erstausgaben eine Parallelwelt aufbaut, enorm belesen, politisch völlig desinteressiert. „Prinz Vogelfrei“ nennt sich Paulini selbst gerne.

Dieser erste Abschnitt des Romans „Der rechtschaffene Mörder“ ist reich an Empathie und kommt einer Liebeserklärung an das gedruckte Buch gleich. Im zweiten Abschnitt gibt sich der Autor zu erkennen. Paulinis Wunderwelt lernte er schon in Jugendjahren kennen, er beschließt, ihm ein poetisches Denkmal zu errichten. Mittlerweile aber ist die einstige DDR Geschichte, die Wendejahre hinterlassen nicht nur am Antiquariat ihre Spuren, sie rücken auch Paulinis Denkweisen in ein neues Licht.

Bei seinen Recherchen stößt der Autor, der mehrmals betont, auf „Klarnamen“ Wert zu legen, auf immer mehr Ungereimtheiten. Und mit ihm der Leser auch. Denn der Autor heißt nicht Schulze, sondern Schultze. Mehr zu verraten, wäre infam, denn dieses an falschen Fährten reiche Werk firmiert unter Pflichtlektüre. Ingo Schulze greift brisante Themen auf, von der Stasi-Spitzelei über den Fremdenhass bis zur Radikalisierung im „Ossi“-Land. Klarheit gibt es nirgendwo. Denn hier jongliert ein Artist der Erzählkunst mit Wahrheiten, als seien sie nur Spielbälle auf der enorm glitschigen Bühne der Geschichte.

Buchtipp:

Ingo Schulze: "Die rechtschaffenen Mörder". S. Fischer Verlag. 320 Seiten, 21,60 Euro.