Wohlverdient“ und „würdig“ hört man in den Reaktionen am öftesten. Und Klaus Kastberger, Leiter des Grazer Literaturhauses und ein versierter Setz-Kenner, kann und will seine Begeisterung gar nicht verbergen: „Das ist sensationell! Setz ist so innovativ wie kein anderer Autor. Jedes Buch hat eine andere Form, einen anderen Klang.“ Kastberger schätzt die „Situationsschnelligkeit“ an Setz. Und: „Auf den ersten Blick liest sich das oft wie Science-Fiction. Aber die Literatur von Setz hat unmittelbar mit der Gegenwart zu tun. Er schreibt über das, was die Gesellschaft beschäftigt und irritiert.“

Der wichtige Literaturpreis im deutschsprachigen Sprachraum an Setz, der Bachmannpreis an Nava Ebrahimi, die auch Gewinnerin des ersten "Morgenstern"-Preises, ausgelobt von der Kleinen Zeitung und dem Land Steiermark, war. Und das in einer Stadt, die seit den späten 1950er-Jahren durch legendäre Institutionen wie das Forum Stadtpark und die Literaturzeitschrift „manuskripte“ als Literaturhauptstadt Österreichs, wenn nicht Europas firmiert. Erleben wir jetzt wieder eine Renaissance der „Grazer Literatur“? Kastberger findet den Zugang nicht überzogen. „Natürlich hat das Image etwas mit der Historie zu tun. Aber die Marke Graz als Stadt der Literatur funktioniert bis heute. Und anders als in anderen Städten, bekennen sich Autorinnen und Autoren aus Graz auch zu dieser Stadt.“ Mit „Literatur aus Graz“ verbindet Kastberger „Literatur, die sich ewas traut.“

Für den Autor, Literaturwissenschafter und Szene-Kenner Gerhard Melzer ist Clemens Setz ein Schriftsteller, „der die digitale Welt in ihrer ganzen Tiefe erfasst und literarische Ausdrucksformen dafür gefunden hat.“ Von einer neuen „Grazer Gruppe“ zu sprechen, hält Melzer allerdings für verfehlt. „Die Zeit der Gruppenbildungen in der Kunst ist längst vorbei – nicht nur in der Literatur. Die Autorinnen und Autoren verstehen sind als Individuen, die in diese Stadt arbeiten, leben und gut vernetzt sind. Aber das ist kein Kollektiv.“ Allerdings, so Melzer, gebe es in Graz sehr wohl Bedingungen, die förderlich sind, „die hohe Dichte der Literaturzeitschriften zum Beispiel.“ Und, hier ist er sich mit Kastberger einig: „Graz hat nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf als Literaturstadt, auch international.“

Ein Ruf, der ohne die Aufbereitung des Bodens und die jahrzehntelange „Beackerung“ durch Alfred Kolleritsch, gestorben im Mai 2020, wohl nie so laut erklungen wäre. Sein Nachfolger und jetziger „manuskripte“-Herausgeber Andreas Unterweger erinnert sich noch gut daran, was der „Fredy“ bereits vor Jahren über den frisch gekürten Büchner-Preisträger gesagt hat, nämlich: „Der Setz tritt über alle Ufer.“ Unterweger: „Kolleritsch hat damit auf die Grenzenlosigkeit von Setz’ Zugang zu Literatur angespielt - und Recht behalten.“ Dass die Stadt jetzt wieder verstärkt ins Scheinwerferlicht der Literaturszene rückt, freut Unterweger zwar, aber er sieht das gelassen. „Graz war ja nie weg, war und ist ein gutes Pflaster für Literatur.“ Und das sei auch kein Zufall: „Die Pionierarbeit von Alfred Kollertisch wirkt bis heute nach. Und auch die Förderstrukturen sind hier ausgezeichnet.“